Fünf Jahre ist es bald her, dass ich dem Mapo-Tofu hier zum ersten Mal ein Loblied gesungen habe. Seither ist meine Liebe zu dem Gericht stetig und nachhaltig gewachsen. Mapo-Tofu ist ein Tofu-Eintopf aus Chinas Sichuan-Provinz und schlicht genial: Wer gern schreit, er wisse nicht, was Umami sein soll, der muss nur einmal Mapo kosten und wird es nie wieder vergessen, nachdem er gierig hechelnd seine Schüssel ausgelöffelt hat. Mapo ist scharf und salzig von schwarzen Sojabohnen und Chiliöl, prickelnd und zitronig vom Sichuanpfeffer, süß und vergoren von der Bohnenwürzpaste.

Seine weich-cremig-glibbrige Konsistenz befriedigt ganz tief sitzende Essbedürfnisse. Er ist leicht zu machen, super vorzubereiten, und aus Zutaten, die so günstig sind, dass sich jeder, theoretisch selbst Restaurants, beste Qualität leisten kann. Ursprünglich aus Chengdu, Sichuans Hauptstadt, kommend, ist Mapo-Tofu in China heute allgegenwärtig, ähnlich wie der Cheeseburger oder die Pizza im Westen.

Foto: Tobias Müller

Aus all diesen Gründen bin ich überzeugt, dass Mapo-Tofu früher oder später die Weltherrschaft an sich reißen wird, und ich werde mein Möglichstes tun, ihn dabei zu unterstützen. In Wien ist er mir bisher leider noch nie in guter Ausführung untergekommen. Jakob Bretterbauer und ich planen daher derzeit ein kleines sommerliches Mapo-Pop-up, wenn's was wird, mehr dazu bald hier und hier.

Seit dem letzten Mapo-Blog habe ich mit diversen Rezepten experimentiert. Mein aktueller Favorit stammt aus Danny Bowiens "Mission Chinese Food"-Kochbuch und geht Mapo mehr an wie eine Bolognese: Statt schnell in der Pfanne zusammengeworfen, wird die Sauce hier für eine Stunde oder mehr geschmort, bis sie eingedickt ist und eine geschmackliche Urgewalt erreicht hat, die ihresgleichen sucht.

Traditioneller Mapo wird mit faschiertem Rindfleisch zubereitet – das Fleisch wird dabei allerdings, wie so oft in der chinesischen Küche, mehr als Würze denn als Zutat verwendet. Bowien lässt es ganz weg und setzt stattdessen auf Pilze. Das funktioniert fantastisch: Ich finde das Ergebnis geschmacklich noch fleischiger, noch mehr umami als das Original – ich würde hohe Beträge wetten, dass Sie es blind nicht als vegan (!) identifizieren würden. Gleichzeitig geben die Pilze ihm eine gewisse Leichte und Frische, die der Fleischversion fehlt.

Leider nicht in Wien

Richtig guter – weil frischer! – Tofu ist in Wien leider immer noch nicht zu bekommen (während es übrigens in asiatischen Großstädten von Bangkok über Taipeh bis Tokio mittlerweile ganz wunderbares Brot zu kaufen gibt. Vielleicht nicht in vielen Geschäften, aber doch in ein paar.) Für Mapo-Tofu ist das glücklicherweise nicht so schlimm. Das Gericht lebt von der Sauce, die sich samtig um die Tofuwürfel schmiegt und kleine Fehltöne in deren Geschmack verzeihen lässt.

Das "Mission Chinese Food"-Rezept verwendet nur getrocknete Pilze, ich füge gern noch frische, feingehackte hinzu – die haben im Endprodukt Konsistenz und Optik wie Faschiertes. Mr. Bowien toppt seinen Mapo in seinem Restaurant übrigens gern mit frischem Seeigel. Hab ich bisher nicht versucht, kann ich mir aber ganz wunderbar vorstellen. Wer welche bekommt: zugreifen, ausprobieren, posten.

Mapo-Tofu, in etwa so, wie Danny Bowien ihn kocht

Alle Zutaten für Mapo sollten im Asiashop Ihres Vertrauens zu bekommen sein. Am wichtigsten ist vielleicht Doubanjiang, die vergorene Chili-Bohnen-Paste, die dem Mapo seinen charakteristischen Geschmack gibt. Sie ist eine Art chinesisches Miso, bloß dass die Bohnen ganz bleiben und nicht passiert werden und neben Hülsenfrüchten auch noch jede Menge Chili mit reindarf.

Chiliöl, eine weitere essenzielle Zutat, können Sie ebenfalls kaufen, oder, viel besser, sehr leicht selbst machen. Hier steht wie. Der Tofu selbst sollte nicht zu weich sein – Seidentofu zerfällt beim Kochen, und Sie haben nachher nur mehr Brei. Ich verwende meist den, der in Asiashops lose in einem Wasserkübel im Kühlschrank zu kaufen ist, oder abgepackte Asiashop-Bioware. Supermarkttofu überlasse ich anderen.

Generell halte ich es mit chinesischen Zutaten genauso wie mit allen anderen: Ich lese die Packungsangaben und nehme jenes Produkt, in dem möglichst wenig drin ist, was nicht unbedingt hinein muss – im Fall der Paste also nichts außer Chili, Bohnen, Salz und eventuell etwas Konservierungsmittel.

Wie immer bei chinesischen Rezepten ist Vorbereitung drei Viertel des Kochens. Meiner Erfahrung nach hilft es hier, die Würzzutaten in zwei Schüsseln vorzubereiten. Eine ganz wunderbare Beilage dazu ist übrigens Spargelsalat, auf Chinesisch Qingsun. Aber der ist so fein, dass er eine eigene, andere Geschichte ist. Wer experimentieren will: Sie finden ihn im Asiashop oder, viel besser und frischer, bei diesen genialen Gärtnern.

Es hindert Sie natürlich nichts und niemand daran, statt der frischen Pilze einfach Faschiertes zu verwenden. Wenn Sie das nicht tun und Ihnen sowas wichtig ist: Mit Bier statt Suppe ist das Gericht vegan.

Für vier Esser brauchen Sie:

Schüssel 1

Eine Handvoll getrocknete Pilze (Shiitake, Steinpilze, Parasolstiele, was der Vorratskasten hergibt)

Ein kräftiger Schuss Sojasauce

2, 3 Teelöffel Chili-Bohnen-Paste

2 Teelöffel Tomatenmark

Sichuanpfeffer, in einer trockenen Pfanne geröstet und dann gemahlen

Foto: Tobias Müller

Schüssel 2

1 Esslöffel schwarze (fermentierte) Sojabohnen, kurz abgewaschen

3, 4 Knoblauchzehen, grob gehackt

3 Teelöffel Chili-Crisps in Chiliöl (gibt's fertig zu kaufen). Glutamatbombe. Muss aber auch nicht sein.)

1 frische Thai-Chili (Birds Eye Chili), gehackt

500 Gramm Tofu

200 Gramm frische Pilze, fein gehackt (Etwa Shiitake oder Austernseitlinge – oder was auch immer Sie zur Hand haben. Außer vielleicht Eierschwammerl.)

Ein ordentlicher Schuss Chiliöl

1 kleine Flasche Bier oder etwa 0,3 Liter Suppe, in meinem Fall meist Huhn oder Kaninchen

1 Teelöffel Mais- oder Kartoffelstärke

Foto: Tobias Müller

Die trockenen Pilze mit kochendem Wasser und einem Schuss heller Sojasauce bedecken und mindestens eine Stunde ziehen lassen. Dann ausdrücken und fein hacken. Zurück in die Flüssigkeit geben und den Rest von Schüssel eins einrühren.

Währenddessen die Pilze fein hacken oder in einer Küchenmaschine pürieren. In einer Pfanne, die groß genug ist für das ganze Gericht, das Chiliöl heiß werden lassen und die Pilze darin braten, bis alles Wasser aus ihnen verdampft ist und sie etwas Farbe genommen haben, etwa 10 bis 15 Minuten. Aus der Pfanne nehmen und für später zur Seite stellen. Dabei so viel Öl wie möglich in der Pfanne lassen.

In der gleichen Pfanne und dem gleichen Öl den Inhalt von Schüssel 2 braten, bis es herrlich duftet, der Knoblauch aber nicht verbrannt ist.

Foto: Tobias Müller
Foto: Tobias Müller

Mit dem Bier beziehungsweise der Suppe ablöschen. Den Inhalt von Schüssel 1 (also Pilzwasser, Tomatenmark, gehackte, einst trockene Pilze und Sichuanpfeffer) und die gebratenen Pilze dazugeben. Zum Köcheln bringen und etwa eine Stunde sanft blubbern lassen. Falls zu viel Flüssigkeit verdampft, Bier oder Suppe nachgießen.

Inzwischen den Tofu in mundgerechte Würfel schneiden.

Foto: Tobias Müller

Einen großen Topf Wasser zum Kochen bringen und den gewürfelten Tofu darin kurz blanchieren. Ich werfe ihn ins Wasser und warte dann, bis es wieder zu kochen beginnt, bevor ich ihn abseihe. Das macht seine Konsistenz besser und, mir kommt vor, den Geschmack frischer. Achtung beim Abseihen: Die Würfel sind weich und kleben leicht aneinander. Am besten geht es mit einem großen Sieb (damit nicht zu viele Würfel aufeinander liegen) und/oder einem Schaumlöffel.

Den Tofu in die Sauce geben und wieder zum Köcheln bringen.

Foto: Tobias Müller

Maisstärke mit etwas Wasser mischen, zum Tofu geben und nochmals aufkochen lassen beziehungsweise köcheln, bis die Sauce ein wenig eindickt.

Foto: Tobias Müller

Eventuell mit mehr gemahlenem Sichuanpfeffer und gehacktem Frühlingszwiebelgrün oder Koriander bestreuen und mit jede Menge Reis für die Sauce servieren. (Tobias Müller, 2.6.2019)