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Die Achillessehne gilt als die dickste und stärkste Sehne des menschlichen Körpers. Sie verbindet die Wadenmuskeln mit dem Fersenbein. Ist sie intakt, sorgt sie für kraftvolles Gehen, Laufen, Springen oder das Stehen auf den Zehenspitzen. Ihre Stärke nimmt mit den Lebensjahren ab. Und dann kann Folgendes passieren: Bei einem Kurzsprint, einem Tritt in die Ferse oder einer harten Landung nach einem Sprung kann die Sehne reißen – mit einem lauten Knall, verbunden mit einem kurzen heftigen Schmerz, danach tut jede Bewegung weh.

Zwei Therapien stehen dann zur Auswahl: Bei einer Operation werden die beiden Sehnenenden wieder miteinander vernäht. Oder die konservative Therapie, dabei wird der Fuß in einem Spezialschuh ruhiggestellt. Er hebt die Ferse an, sodass die losen Enden wieder zusammenwachsen.

Gut abwägen

Über die Frage, welche Therapie bessere ist, herrscht Uneinigkeit. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Studie im British Medical Journal zeigt: Die konservative Therapie ist einer OP nicht unterlegen. Zwar kommt es, statistisch gesehen, bei den Operierten geringfügig weniger häufig zu einem erneuten Abriss der Sehne: Reißt bei 23 von 1000 operierten Patienten die Sehne erneut, sind es bei den Nichtoperierten 39 von 1000. Insgesamt kommt ein erneuter Abriss aber ohnehin nur selten vor. Dagegen bringt eine Operation deutlich mehr Probleme bei der Wundheilung als die konventionelle Therapie. Infektionen nach der OP können die Heilung verzögern und der Sehne schaden. Zudem klagen Operierte über Narbenschmerzen oder ein unangenehmes Gefühl an der Wade.

"Die Studie zeigt, dass die Therapie des Achillessehnenrisses nicht mehr eindeutig eine OP sein muss", sagt Josef Niebauer, Vorstand des Salzburger Universitätsinstituts für präventive und rehabilitative Sportmedizin. Das wäre in vielen Fällen sicherlich eine Übertherapie, denn das konservative Vorgehen könne mehr als bisher gedacht.

Am meisten profitieren von der konservativen Therapie Patienten mit einem erhöhten OP-Risiko, also Personen ab 60 Jahren, Diabetiker mit Wundheilungsstörungen, Raucher und Patienten, die panische Angst vor einer OP haben. "Diesen Patienten erspart man die OP, und sie können trotzdem wieder gehen", so Niebauer.

Wer weiter sporteln will

Wer allerdings Leistungssport betreibt, hat andere Anforderungen an seine Achillessehne. "Hier ist es zunehmend schwieriger, die beste Entscheidung zu treffen", meint Niebauer. Möglicherweise hält eine genähte Achillessehne bei großer Beanspruchung ein wenig besser als eine, die natürlich zusammengewachsen ist.

Auch ist es dann möglicherweise wichtig, dass bei der OP die Achillessehne wieder möglichst exakt ihre ursprüngliche Länge erhält. Beim Zusammenwachsen kann sie ein wenig länger werden als ursprünglich. Das kann verminderte Kraft beim Abstoßen oder beim Abrollen des Fußes bedeuten. Erschwerend bei Profisportlern: Sie nehmen nach der OP viel zu früh wieder das Training auf. Sechs Wochen sind das Minimum, mit oder ohne Operation.

Alle anderen Patienten können mit ihrer Entscheidung – also OP oder den Achillessehnenriss konservativ behandeln – nichts falsch machen. "Bei ihnen werden beide Methoden sehr wahrscheinlich zum gleichen Ergebnis führen", sagt Niebauer. So scheint es, dass für die Beanspruchung der gerissenen Sehne im Alltag und Freizeitsport die konservative Methode gute Ergebnisse bringt. Die Studie zeigt: Konservativ behandelte Patienten können sich nach einem Jahr genauso gut bewegen wie Operierte.

Besser vermeiden

Einem Riss vorzubeugen ist indes schwer. Bei manchen Menschen neigen die Sehnen veranlagungsbedingt schneller dazu, zu reißen, sogar bei banaler Belastung. Zur Vorbeugung solcher Verletzungen wäre ab einem bestimmten Lebensalter vor allem ein ausreichendes Aufwärmtraining mit Dehnungsübungen zu empfehlen. Denn die Erfahrung zeigt: Häufig trifft ein Riss untrainierte oder nur unregelmäßig Sport treibende Männer zwischen 30 und 50. Viele wollen sich auch nach längerer Sportpause oder in der Reha wieder sportlich betätigen. Oftmals zu ungestüm. Schon beim Stolpern, Springen oder Abfedern kann es dann zu einem Riss kommen.

Auch geübte Sportler beanspruchen ihre Achillessehne manchmal über die Maßen. Die Überlastung führt kontinuierlich zu kleinsten Schädigungen im Sehnengewebe und damit einhergehenden Entzündungen. Die Sehne beginnt zu schmerzen und verliert ihre Stabilität. Viele Betroffene berichten von Schmerzen bereits Wochen vor dem Riss.

Kommt es zum Riss, dann geschieht dies meist mit einem deutlich hörbaren Knall und einem starken Schmerz an Ferse oder Wade. Die Rissstelle lässt sich durch die Haut ertasten. Nach dem Riss kommt es zur Schwellung und Bluterguss, das Gehen schmerzt. Dann sollten Betroffene schleunigst ins Krankenhaus oder zum Arzt, da ein frühzeitiger Therapiebeginn bessere Heilungschancen bietet. Bis dahin können Schwellung und Schmerzen mit Eis und Hochlegen des Beines gelindert werden. (Andreas Grote, 1.6.2019)