Er kann auch nicht immer so, wie er will. Polizeipräsident Ernstl Rauter (Hubsi Kramar) pfeift seine Kommissare Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) zurück. Weisung aus dem Innenministerium. Der neue Tatort-Fall Glück allein (Sonntag, 20.15 Uhr, ORF 2, ARD) wirft gleich zu Beginn viele Fragen auf. Was soll vertuscht werden? Im Haus des Nationalratsabgeordneten und Aufdeckers Raoul Ladurner (Cornelius Obonya) wird seine Frau erstochen aufgefunden, Tochter Jasmin ist schwer verletzt. Aber nicht Fellner und Eisner sollen den Mord aufklären, die Polizistin Julia Soraperra, gespielt von Ex-Vorstadtweib Gerti Drassl (41), wird von oberster Stelle damit beauftragt. Bibi und Moritz trauen ihr die Aufklärung nicht zu. Auch weil sie mit Raoul Ladurner verbandelt ist.

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Erinnerung an Fall Eduard L.

Wie so oft im Wiener Tatort geht es auch hier – das Drehbuch kommt von Uli Brée – um Verstrickungen zwischen Politik, kriminelle Machenschaften (hier mit einer ukrainischen Geschäftsfrau), Korruption. Zumindest vordergründig. Und wie schon bei der Folge Wahre Lügen Anfang des Jahres – Thema war der Tod von Ex-Verteidigungsminister Karl Ferdinand Lütgendorf – erinnert auch Glück allein an einen realen Fall. An jenen des steirischen Arztes Eduard L., der seine Kinder jahrelang gequält haben soll.

Auch in diesem Tatort haben Kinder ein Martyrium erlebt, wurden drogenabhängig gemacht. Das Türschild an der Vorstadtvilla "Trautes Heim, Glück allein" trügt gewaltig. Gerti Drassl spielt die Polizistin Julia Soraperra, ihre Beziehung zum Aufdecker Ladurner, der selbst ganz viel zu verstecken hat, ist von Abhängigkeiten geprägt.

Gerti Drassl als Polizistin Julia Soraperra.
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Es sei "dieses Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip" des Raoul Ladurner, das diese Beziehung so tragisch macht", sagt Gerti Drassl im Gespräch mit dem STANDARD, "dass er sich immer als Opfer der Situation sieht. Dass man dann das Opfer immer wieder beschützen will. Das ist das unglaublich perfide an diesem System. Dass die, die wirklich verletzt werden, sich um denjenigen kümmern, der verletzt."

Soraperra gibt nicht viel über sich preis, erst nach und nach erfährt man, was die Figur erlebt hat, warum sie sich diese Beziehung mit Ladurner antut, sich von ihm niedermachen lässt. "Gerade diese Hilflosigkeit der Rolle hat mich berührt. Sie muss sich immer wieder neu orientieren. In jeder Situation." Als Vorbereitung für die Rolle hat sich Gerti Drassl Interviews mit den Kindern von L. angesehen, "es hat mich sehr berührt, mit welcher Offenheit und auch Verletztheit diese Kinder Interviews geben."

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Regie bei diesem Tatort führte Catalina Molina. Das erste, aber vielleicht nicht das letzte Mal. Für eine neue Folge wurde sie schon angefragt. Molina studierte bei Michael Haneke an der Wiener Filmakademie, gewann mit dem Kurzfilm Unser Lied 2013 den österreichischen Filmpreis, führte Regie bei den ORF-Landkrimis Drachenjungfrau (2016) und Das dunkle Paradies. Der Film feierte 2019 bei der Diagonale Premiere .

Miteinander reden

"Die politische Ebene rund um Verschwörungstheorien war natürlich spannend", sagt Molina. Gerade mit dem aktuellen Anlass rund um Ibiza-Gate und den Folgen. "Man sieht, es stimmt ja doch. Wir alle haben es gewusst, und die, die es nicht gewusst haben, wollten es einfach nicht wissen."

Regisseurin Catalina Molina
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Insgesamt standen nur 21 Drehtage zur Verfügung. Trotz der kurzen Zeit "haben wir uns viel Zeit zum Reden genommen, damit man das gleiche Ziel hat", beschreibt sie die Arbeit mit den Schauspielern. "Wenn man weiß, was man gemeinsam will, dann geht es auch in der Umsetzung schneller." Da wurde etwa darüber diskutiert, was genau die Motivation eines Satzes ist, wohin eine Figur damit will. Das habe mit Neuhauser und Krassnitzer gut funktioniert, "sie sind Profis, kennen ihre Rollen in- und auswendig".

Gegenüber dem Drehbuch hat Molina Szenen in die Nacht verlegt, das schafft diese düstere, finstere Grundstimmung. Dunkel ist auch das Ende, obwohl es ein Befreiungsschlag der Julia Soraperra ist. Gerti Drassl: "Das ist brutal, aber wichtig." (Astrid Ebenführer, 1.6.2019)