Am Mittwoch startete die fünfte Staffel der dystopischen Science-Fiction-Serie "Black Mirror" auf Netflix. In jeweils drei bis sechs in sich abgeschlossenen Episoden pro Staffel – oder als interaktiver Film – zeichnete die Serie bisher ein beunruhigendes Bild der nicht allzu fernen Zukunft. Die Konstante in jeder Geschichte: eine Welt, in der sich die Gesellschaft der Technologie unterordnet oder sogar von ihr versklavt wird.

Zum Start der neuen Staffel blicken wir auf die letzten Episoden zurück und fragen: Was gibt es schon, was könnte bald Realität werden, und was wird wohl reine Fantasie bleiben?

Foto: Netflix/David Dettmann

Soziale Bewertungssysteme

Die Fiktion: Die Welt, in der Lacie Pound aus der Episode "Abgestürzt" ("Nosedive") lebt, ist von einem Bewertungswahn getrieben: Ob man einen Kaffee kauft, jemandem ein Kompliment macht oder sich beim Joggen in der pastellfarbenen Vorstadthölle trifft, permanent wird das Smartphone gezückt und ein bis fünf Sterne an Mitbürger vergeben. Wer einen Flug buchen, eine schnellere Krebsbehandlung oder einfach nur gesellschaftliche Anerkennung erhalten will: Ab einem bestimmten Wert wird man akzeptiert, wer darunter fällt, geächtet.

Die Realität: Wäre Netflix in China nicht gesperrt, die Einwohner von Hangzhou, Xiamen oder Wenzhou würden über die Episode wohl nur milde lächeln. Die Städte sind drei von mehreren Modellregionen, in denen die chinesische Regierung ihr Sozialkreditsystem testet.

Wer die Regierung in den sozialen Medien lobt, Blut spendet oder wohltätige Arbeit leistet, steigt im Ranking auf. Wer seine Eltern nicht besucht, Kritik an der Führung äußert oder bei Rot über die Straße geht, verliert Punkte. Mit verheerenden Konsequenzen: 23 Millionen Chinesen konnten vergangenes Jahr ein Zug- oder Flugticket nicht kaufen, weil sie zu wenige Punkte hatten. 2020 soll das Sozialkreditsystem für die 21 Millionen Einwohner Pekings Realität werden.

Foto: Netflix/Christos Kalohoridis

Überwachungsimplantate

Die Fiktion: "Arkangel" heißt das Unternehmen in der gleichnamigen Episode von "Black Mirror", das besorgten Eltern einen praktischen Service anbietet: Ein Implantat, das sich schmerzlos in den Kopf injizieren lässt, streamt alles, was das Kind hört und sieht, auf das Tablet der Eltern. Und nicht nur das: Gefährliche oder angsteinflößende Situationen – bellende Hunde, Schulhofschlägereien, Drogen – lassen sich auf Elternwunsch komplett ausblenden.

Die Realität: Um die eigenen Kinder zu überwachen, müssen wir nicht auf Elon Musks Neuroimplantate warten. Geht man davon aus, dass das Smartphone immer in Griffweite ist, lassen sich schon jetzt die meisten Aktivitäten lückenlos überwachen. Die Suchergebnisse für "Parental Control" in den App Stores für Apples iOS und Googles Android lassen das Helikopterelternherz höherschlagen.

Spezialisierte Apps lassen neugierige Papas und Mamas den Standort verfolgen und schlagen Alarm, wenn etwa die Schule früher verlassen wird. Auch was die Kleinen auf Whatsapp, Youtube oder Tiktok so treiben, lässt sich einsehen. Manche Apps gehen noch einen Schritt weiter und sind regelrechte Elterntrojaner: Sie verfügen über eine Wanzenfunktion, mit der sich aus der Ferne Mikrofon und Kamera heimlich einschalten lassen. Von "Arkangel" ist das nicht mehr weit entfernt.

Foto: Netflix/Laurie Sparham

Roboterbienen

Die Fiktion: In der sechsten Episode der dritten Staffel von "Black Mirror", " Von allen gehasst" ("Hated in the Nation"), sind die Bienen ausgestorben. Stattdessen übernehmen autonome Minidrohnen die Arbeit der Insekten, die für die Menschheit überlebenswichtig ist. Im Lauf der Folge wendet sich die Technologie aber gegen die Menschen, denn auch die Robo-Bienen sind nicht immun gegen Hackerangriffe.

Die Realität: Forscher der Universität für Technologie in Warschau präsentierten 2016 den B-Droid, eine mit einem Wedel ausgestattete Drohne, die Blüten automatisch erkennt und bestäubt. Noch sieht die Apparatur im Vergleich zur Eleganz der Bienen aber etwas klobig und ungelenk aus.

Etwas besser sieht das Roboterinsekt aus dem Jahr 2013 von Wissenschaftern der Harvard University aus. Sie schafften es, insektenähnliche Kunststoffflügel so schnell zu bewegen, um die Drohne in der Luft zu halten. Flaschenhals ist der Energieverbrauch: Das künstliche Insekt war per Stromkabel mit dem Boden verbunden. Mit der Kapazität heutiger Akkus würde das Gerät nämlich schon nach kürzester Zeit die Flügel hängen lassen.

Auch Honig produzieren die Roboterinsekten nicht. Besser also, man lässt die Bienen nicht aussterben.

Netflix

Autonome Kampfroboter

Die Fiktion: Erde, irgendwann in der postapokalyptischen Zukunft: Die drei Protagonisten suchen mitten im Nirgendwo nach Vorräten. Die verlassene Lagerhalle wird aber von Roboterhunden überwacht – und die nehmen bald die Verfolgung der Plünderer auf. Ausgestattet mit Solarmodulen, Pistole und Laserradar, handelt und tötet der "Metallkopf" ("Metalhead"), nach dem die Episode benannt ist, vollkommen autonom.

Die Realität: Ferngesteuerte Waffen gibt es schon länger, immer mehr Länder setzen auf bewaffnete Drohnen. Hier ist das Steuer aber lediglich versetzt, der Pilot sitzt nicht im Flugzeug selbst, sondern vielleicht in einer sicheren Kommandozentrale. Trotzdem gibt immer noch ein Mensch den Befehl zum Abschuss. Autonome Waffensysteme machen den Menschen aber mithilfe künstlicher Intelligenz komplett überflüssig und entscheiden komplett selbstständig, ob ein Ziel verletzt oder getötet wird.

Als erste vollautomatischer Kampfroboter gilt der bereits 2003 entwickelte Samsung SGR-A1, der bereits zur Sicherung von Militärbasen eingesetzt wurde und Ziele sogar vorwarnen kann. Inzwischen ist die Technologie weiter fortgeschritten. Die USA arbeiten etwa an autonomen Drohnenschwärmen, denen einzelne Kugeln kaum etwas ausmachen. Auch die anderen großen Militärmächte forschen an intelligenten Waffen, einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag wie für Atomwaffen gibt es bisher nicht. Der Krieg von morgen könnte also ein unberechenbarer Hightechkampf werden, vielleicht ganz ohne Menschen und daher mit niemandem, der Mitleid zeigt, als Zeitzeuge von Gräueltaten erzählt oder vor Kriegsgerichte gestellt werden kann. (pp, 7.6.2019)