In Norwegen werden die Plätze an den Ladestationen knapp. Fast jedes zweite neu zugelassene Auto ist bereits vollelektrisch unterwegs oder ein Plug-in-Hybrid.

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Von Oslo Sentralstasjon, dem Hauptbahnhof der norwegischen Hauptstadt, bis zum königlichen Schloss sind es 20 Minuten zu Fuß. Die 1,6 Kilometer lange Strecke ist bis auf wenige Querstraßen, auf denen Autos fahren dürfen, eine einzige Fußgängerzone. Wo sich früher Stoßstange an Stoßstange reihte, stehen Blumentröge, aus denen Stiefmütterchen in den schönsten Blau- und Violetttönen Vorbeiflanierenden entgegenleuchten.

Mag Oslo in Sachen Blumenschmuck südlicheren Regionen zeitlich nachhinken – was die Elektromobilität betrifft, sind Oslo und Norwegen insgesamt unstrittig führend. Noch heuer wird jedes zweite neu zugelassene Fahrzeug in Norwegen vollelektrisch oder teilweise elektrisch (Plug-in-Hybrid) unterwegs sein, in Oslo sogar drei von vier. Aber wie kam es dazu?

Der Preis ist heiß

"Es sind einige Faktoren, die zusammenkommen müssen", sagt Arild Hermstad, der für die Grünen in der Stadtregierung sitzt und Vizebürgermeister von Oslo ist. "Da ist einerseits die finanzielle Seite. Was kostet ein E-Auto im Vergleich zu einem Diesel oder Benziner? Ein Aspekt ist auch die Ladeinfrastruktur. Gibt es ausreichend Lademöglichkeiten? Wenn es zusätzliche Anreize für E-Autos gibt oder wenn bei herkömmlichen Pkws regulativ eingegriffen wird, etwa in Form von Parkverboten in Teilen der Stadt, ist dies auch kein Schaden."

Die Weichen in Richtung Strom wurden in Norwegen vor fast einem Vierteljahrhundert gestellt. 1995 wurde beschlossen, die Anschaffung von Elektroautos steuerlich zu versüßen. "Alle Parteien waren dafür", erinnert sich Hermstad. "Einige mögen damals gedacht haben, das wird so und so nichts; es gab kaum Auswahl, und die Elektroautos, die es zu kaufen gab, waren nicht rasend spannend. Aber dann kam Tesla. Die Nachfrage zog sprunghaft an, und genauso sprunghaft stiegen die Kosten für den Staat. Nicht nur musste die Ladeinfrastruktur rasch ausgebaut werden, auch die Summe entfallener Steuern stieg rasch."

Die Abgaben auf importierte Autos sind in Norwegen traditionell sehr hoch. Bei einem Diesel etwa besteht die Hälfte des Kaufpreises aus Steuern. Kostet ein Elektroauto in Österreich abzüglich Kaufprämie noch immer rund 10.000 Euro mehr als ein herkömmliches Auto derselben Klasse, gibt es in Norwegen durch die Steuerbefreiung keinen Preisunterschied mehr zwischen Autos mit Elektroantrieb und Verbrennern. "Wenn jemand bei gleichem Preis die Wahl hat zwischen einem E-Auto oder einem herkömmlichen Fahrzeug, fällt die Entscheidung leicht", sagt Sture Portvik von der Osloer Stadtverwaltung.

"Ausbau der Öffis ist das Wichtigste"

Einige "Zuckerln" wurden inzwischen wieder eingepackt. Wer allein in einem Elektroauto sitzt, darf nicht mehr auf der Busspur fahren. Wegen der vielen Elektroautos standen Busse zuletzt immer häufiger im Stau. Seit wenigen Tagen müssen die bisher mautbefreiten E-Autos auch einen kleinen Obolus zahlen, wenn sie in den bemauteten Innenring fahren. Und auch an den öffentlichen Ladestationen wird ein Stundentarif verrechnet – damit der knappe Platz vor den Ladesäulen nicht ganztätig von ein und demselben Fahrzeug belegt wird. Aber es gibt sie noch, die Zuckerln.

In Oslo, das von einer rot-rot-grünen Koalition regiert wird, ist unweit des Rathauses ein ehemaliger Luftschutzbunker in ein Parkhaus umfunktioniert worden. In die Garage dürfen nur E-Autos fahren – Parken und Laden sind gratis. Im Zentrum wurden gleichzeitig 700 Parkplätze eliminiert.

Proteste von Geschäftsleuten

"Es gab und gibt noch immer heftige Proteste von Geschäftsleuten, aber wir sind im Dialog", sagt Hanna Marcussen. Als Teil der grünen Fraktion ist sie in Oslo für den Bereich Stadtentwicklung zuständig. "Wir wollen den Menschen Teile der Stadt, die bisher von Autos verstellt waren, zurückgeben." Das Wichtigste sei der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, sagt sie. Das Geld aus der Citymaut komme fast zur Gänze Bus, Tram und Metro sowie dem Radwegenetz zugute. Die Umstellung der Linienbusse auf Strom, der in Norwegen zu fast 100 Prozent aus Wasserkraft kommt, ist voll im Gang. "Ob konventionell oder elektrisch: Auto bleibt Auto. Unser Ziel ist es, die Zahl der Autos trotz weiter steigender Bevölkerungszahlen zu senken", sagt Marcussen.

Bessere Luft dank Euro 6

Die Luft im Großraum Oslo sei jedenfalls spürbar besser geworden. Der Switch zu E-Autos habe eine Rolle gespielt, wenn auch eine vergleichsweise kleine, sagt Britt Ann Kåstad Høiskar vom Norwegian Institute for Air Research. Sie schreibt die gesunkenen Stickoxidwerte der Einführung der Euro-6-Motoren zu. Diese neueste Motorengeneration habe zu einer deutlichen Verbesserung der Emissionen im Schwerverkehr geführt.

Die Reise nach Oslo erfolgte auf Einladung der Urban Future Global Conference und der norwegischen Botschaft. (Günther Strobl aus Oslo, 3.6.2019)