Kramp-Karrenbauer und Merkel wollen die Koalition mit der verwaisten SPD fortsetzen.

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Während sich die SPD-Spitze am Sonntag erst einmal vom Schock erholen musste, machte sich der Koalitionspartner schon Sorgen um den Fortbestand des schwarz-roten Bündnisses. "Ich gehe davon aus, dass die Handlungsfähigkeit der großen Koalition nicht beeinträchtigt wird", sagte CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und mahnte Richtung SPD: "Dies ist nicht die Stunde der Parteitaktik. Wir stehen weiter zur großen Koalition."

In dieselbe Kerbe schlug Kanzlerin Angela Merkel. Kramp -Karrenbauer war von Nahles persönlich über deren Rücktritt absichten informiert worden und sagte später: "Ich nehme diese Entscheidung mit großem Respekt zur Kenntnis." Die CDU-Spitze saß ohnehin zusammen, da Kramp-Karrenbauer zu einer Klausur gebeten hatte. Auf dieser will man bis Montag über das schlechte Ergebnis bei der EU-Wahl beraten. Nach dem Rücktritt von SPD-Fraktions- und Parteichefin Nahles stand natürlich noch eine Frage im Mittelpunkt: Wie geht es in der Groko weiter?

Nie gemocht, dennoch gemacht

Gewollt war dieses Bündnis nie besonders. Die SPD hätte sich nach den Verlusten bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 eigentlich in Opposition neu erfinden wollen. Und Kanzlerin Angela Merkel hätte gern eine Jamaika-Koalition (Union, FDP, Grüne) gebildet. Als die Verhandlungen scheiterten, sprang die SPD zähneknirschend doch ein.

Da die Groko sich so schwer mit der Entscheidung tat, wurde jedoch im Koalitionsvertrag eine sogenannte Revisionsklausel fest gelegt. Das bedeutet: Zur Halbzeit, im Herbst 2019, kommt die bisherige Arbeit auf den Prüfstand.

Viele Sozialdemokraten sehen darin den "Notausgang", nach dem Motto: "Dann können wir ja frühzeitig aussteigen." Nun jedoch, nach dem Abgang von Nahles, stellt sich die Frage, ob die SPD die schwere Krise nicht gleich für einen kompletten Kehraus nutzt und die ungeliebte Koalition verlässt.

Scholz legt sich fest

In einem Interview für den Berliner Tagesspiegel erklärte Finanzminister Olaf Scholz (SPD), nach 2013 und 2017 werde es nach der nächsten Bundestagswahl kein weiteres schwarz-rotes Bündnis mehr geben: "Drei große Koalitionen in Folge würden der Demokratie in Deutschland nicht guttun." Das Interview war allerdings vor Nahles’ Rücktritt geführt worden.

Wenn die SPD nun die Koalition schon früher verlässt, dann steht Kanzlerin Merkel ohne Mehrheit da. Möglich wäre ein fliegender Koalitionswechsel: Merkel müsste dann doch ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen zustande bringen.

FDP-Chef Christian Lindner, der die Jamaika-Verhandlungen im Herbst 2017 platzen hatte lassen, kann sich neue Gespräche durchaus vorstellen. Auch die Grünen-Spitze ist regierungs willig. Allerdings bilden die Grünen im Bundestag derzeit die kleinste Fraktion. In Umfragen hingegen liegen sie so gut – beim Institut Forsa sogar auf Platz eins –, dass man sich den Eintritt der Ökopartei in eine Jamaika-Koalition ohne vorherige Neuwahlen nur schwerlich vorstellen kann. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.6.2019)