Meine Frau lobt mich. Das überrascht mich immer wieder. Nicht, dass ich es nicht verdienen würde, aber es sind oft sehr nebensächliche, nicht erwähnenswerte Anlässe, in denen ich Zuspruch erfahre. Wenn ich beim Wickeln assistiere, wenn ich einkaufen war, wenn ich koche, wenn ich den Kleinen bespaße. Und wenn ich ehrlich bin, auch die "großen" Anlässe – wenn ich den Kleinen ohne Weinen (er, nicht ich) ins Bett bringe, wenn die Windel wirklich voll und das Wechseln mit erheblichem Aufwand verbunden ist, wenn wir nach dem Karottenbreifüttern uns beide neu anziehen müssen, wenn die Mama schwimmen geht und wir alleine keinen Unfug machen – sind so selbstverständlich, dass sie keiner Erwähnung und keines eigenen Lobes bedürften. Aber ich freu mich darüber, ganz ehrlich, und das ist eine Maßnahme, die Stress aus der Beziehung, die Stress aus dem gemeinsamen Betreuen des Kindes nimmt.
Und das ist komisch: Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig diese Anerkennung ist. Ich genieße sie und baue mich daran auf, auch wenn mir das Lob manchmal fast peinlich ist. Aber mach ich das selber auch? Loben und Anerkennung aussprechen sind nicht meine Stärken. Da bin ich nicht achtsam genug. Ich nehme es als selbstverständlich hin, die beste Frau der Welt zu haben, die sich bestmöglich und mit aller Kraft und Liebe um unser Bärli kümmert. Der hat das verdient, wie jedes Kind, aber hab ich das verdient? Da muss ich noch an mir arbeiten, sag ich mir, immerhin, die Erkenntnis hab ich schon einmal.
Kräfteraubende Liebe
Meine Frau macht alles toll: Sie ist hingebungsvoll und aufmerksam, liebevoll, zärtlich und lustig, sie schenkt dem Kleinen die volle Aufmerksamkeit. Selbstverständlich? Sie geht auch an ihre Grenzen. Manchmal ist sie wirklich erschöpft, gelegentlich war sie schon verzweifelt, aber nie wirft sie die Nerven weg, zumindest nicht vor dem Kleinen. Das Bärli kann nämlich verdammt anstrengend sein, er saugt die Liebe auf wie ein Schwamm, kann nicht genug an Aufmerksamkeit bekommen, das ist, bei aller Liebe, wirklich kräfteraubend.
Sag ich das meiner Frau? Ich nehme mir das immer vor. Das nächste Mal sag ich ihr das ganz bestimmt. Es gibt niemanden, der das besser macht. Was für ein Glück das Bärli doch hat. Hätten doch alle Kinder so ein Glück.
Ich gehe ja arbeiten. Zur Erholung. So schön die Zeit mit dem Bärli ist, ich bin dann erledigt. Mich macht nicht nur das Frühaufstehen fertig – normal um sechs Uhr, wenn ich frei hab, wacht Bärli noch früher auf –, ich finde die Beschäftigung mit ihm wirklich anstrengend. Stimmt schon, auch Glücksgefühle und alles, aber verdammt, das ist anstrengend. Bärli ist gerade neun Monate alt, da kann man sich noch nicht unterhalten, aber Ansprache braucht er trotzdem, und so nebenbei läuft da gar nichts. Die Auseinandersetzung mit Kurz und Konsorten (ich bin Innenpolitikjournalist) ist weniger anstrengend. Bringt auch weniger, muss man ganz ehrlich sagen.
Bespaßungswunder
Meine Frau ist ein Bespaßungswunder, ein Ausbund an Geduld und Kreativität, Bärli genießt es. Und mich nimmt er auch noch hin. Obwohl ich nicht halb so lustig, ausdauernd und einfallsreich wie die Mama bin und, das muss man auch sagen, ihn nicht stillen kann, scheint er mich auf wundersame Weise zu lieben, lacht und freut sich, wenn ich nach Hause komme, schmiegt sich an mich, hört mir zu, lässt sich auch das tausendste Mal küssen.
Stress haben wir auch, klar, und nicht alles lässt sich wegloben. Wir sind alte Eltern. Sagen wir ältere Eltern. Sie über 40, ich über 50, knapp. Dass mit dem Alter die Erfahrung und damit die Gelassenheit kommt, ist schlichtweg nicht wahr. Wir sind viel aufgeregter als junge Eltern, kommt mir vor, Gelassenheit kennen wir nicht – oder nur in Ansätzen. Zu lange haben wir auf dieses Kind gewartet, zu sehr haben wir uns darauf gefreut, zu viele bange Stunden haben wir mit der Frage verbracht, ob alles klappt. Bei uns geht nichts nebenbei, sondern alles sehr intensiv. Das macht Stress, das kann ich sagen. Der Kleine ist nicht nur lieb und lustig, er ist unfassbar lieb und lacht wie kein anderes Kind dieser Welt. Das Schöne ist umwerfend schön, das Gefährliche ist monsterartig bedrohlich. Draußen weht nicht ein Wind, sondern tobt ein Orkan, es ist nicht bloß kalt, sondern er könnte eine Lungenentzündung bekommen.
Wunderschöne Last
Unlängst hörte ich, wie meine Frau dem Kleinen zuflüsterte: "Du bist alles." Das stimmt schon. Das ist wunderschön. Aber das ist auch eine Last, die man erst einmal schultern muss, die man auch aufteilen muss.
Ich selbst wäre je die Gelassenheit in Person, aber in Summe mit meiner Frau sind wir beide im Schnitt recht aufgeregt. Wie kommen wir da runter? Darüber reden, nicht zu viel, aber doch ausführlich. Und zuhören. Ganz wichtig. Beides kann ich nicht sonderlich gut. Darüber reden und zuhören. Ich bin praktisch die Mängelliste in unserer Beziehung. Aber ich bin reflektiert. Allein dass ich darüber Bescheid weiß und mir das eingestehe, macht mich zu einem besseren Menschen. Sagt meine Frau. Am Rest arbeite ich noch. Das ist ein Prozess, der nie abgeschlossen ist. Das sage ich meiner Frau. Damit sie die Hoffnung nicht aufgibt. (Michael Völker, 23.6.2019)