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Kurz nach dem Misstrauensantrag war der Altkanzler wieder im Marketingmodus.

Foto: ap/Ronald Zak

Personenkult und Personalisierung, da ist für Inhalte nicht viel Platz, befürchtet Josef Oberneder, Vizerektor an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, im Gastkommentar.

Sie würde Sebastian Kurz auch vom Nordpol nach Wien folgen, erzählt eine ältere Frau im Morgenjournal des Radiosenders Ö1, kurz nach der Abwahl des jüngsten Bundeskanzlers der Republik Österreich. Kurz, der Kurzzeitkanzler, hatte die türkise Fangemeinde innerhalb von wenigen Stunden in der ÖVP-Akademie zusammengetrommelt. Das "politische Wunderkind" war sofort im Wahlkampfmodus. Das Parlament hätte so entschieden, das Volk werde dann im Herbst entscheiden; so als wäre das Parlament nicht die repräsentative Vertretung des Volkes. Es gebe eine neue Allianz zwischen SPÖ und FPÖ aber, er – Kurz – werde da sein, um das Land weiter zu entwickeln, es zu schützen vor illegaler Migration und er werde den jahrzehntelangen Schuldenkurs beenden. Die Propheten des Niedergangs seien identifiziert.

Schnell waren also die Verantwortlichen gefunden für den desaströsen Zustand unseres Landes: Es seien jene, die in der Vergangenheit das Land politisch geführt haben und über Jahre eine falsche Finanz-, Sozial-, und Migrationspolitik betrieben. Für die historische Niederlage findet ein ultraschnelles "Reframing" statt: Die inhaltliche Arbeit war großartig und er, der soeben abgewählte Kanzler, hätte sehr viel ertragen müssen, viel hinterschlucken.

17 Monate Harmonie

Vergessen sind dabei die 17 Monate medial vorgeführte Harmonie, die jeden sachlich kontroversiellen Diskurs innerhalb der Regierung vermissen ließ. Vergessen sind dabei die internationalen Schlagzeilen, die Österreich als ein rechtspopulistisch geführtes Land dastehen lassen. Vergessen ist dabei, dass fundamentale inhaltliche Differenzen zwischen Regierung und Opposition einer noch nie dagewesenen Message-Control untergeordnet wurden.

Die Argumentation des abgewählten Kanzlers ist nicht inhaltlich, nicht staatsmännisch – die Marketingmaschinerie läuft zu diesem Zeitpunkt bereits wieder auf Hochtouren. Der Abgang wird zum Auftakt einer Wahlkampfrede und man wolle die "Absolute", nur so könne man (demokratiepolitisch?) die Pläne der neue türkisen ÖVP durchziehen. Die Appelle sind nicht inhaltlich – sie sind emotional. Und genau diese Tatsache muss einer hohen Bedenklichkeit untergeordnet werden.

Personenkult und Emotion

Wir werden Zeugen eines frenetischen Personenkults einer Personalisierung der Politik, wie sie kaum zuvor stattgefunden hat. Händeringend und in völliger Obsession werden politisch inhaltlich relevante Themen geradezu pathogen ausgeschlossen. Man ist Teil einer Bewegung: "Wir sind jung, wir sind erfolgreich, wir sind fleißig, wir sind Sebastian Kurz". Die reflexionslose Gefühlsausschüttung geht weiter: Eine junge Frau meint, sie kenne keinen cleveren Menschen als Sebastian Kurz. Die Vergangenheit wird beschrieben, so als hätte sie so nicht sein müssen. Die Zukunft sei türkis – gestaltet durch die Neue ÖVP und Sebastian Kurz.

Die türkise Massenbegeisterung hatte sich zwischenzeitlich adrenalingesteuert im noblen Springer-Schlössl der Parteiakademie zu einem endzeitlichen Hoffnungschor emporgesungen: Kurz muss Kanzler werden. Kontingenzen einer modernen Gesellschaft werden ausgeschlossen. Die Gefühlsduselei berührt mich – irgendwie seltsam und besorgniserregend – und leert meinen Geist – nicht bedenkenlos! (Josef Oberneder, 7.6.2019)