Die von der EZB erwartete nachhaltige Verstärkung des Preisauftriebs lässt weiter auf sich warten.

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Frankfurt – Die Inflation in der Eurozone hat sich wieder deutlich von der Wunschmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp zwei Prozent entfernt. Im Mai sank sie unerwartet kräftig auf 1,2 Prozent, was die bisher niedrigste Rate in diesem Jahr ist, wie die europäische Statistikbehörde Eurostat am Dienstag mitteilte. Im April war die Teuerung noch bei 1,7 Prozent gelegen.

Für EZB-Chef Mario Draghi dürfte damit der Handlungsdruck steigen, zumal die Konjunkturaussichten wegen des sich verschärfenden US-Handelsstreits und der Brexit-Hängepartie ebenfalls unsicherer geworden sind. An diesem Donnerstag kommen die Euro-Wächter in Vilnius zu ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung zusammen.

Warten auf Preisauftrieb

Die von der EZB erwartete nachhaltige Verstärkung des Preisauftriebs lasse weiter auf sich warten, sagte Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil zu den Daten. "Trotz der ordentlichen Binnennachfrage fällt es den Unternehmen offenbar weiterhin schwer, ihre höheren Lohnkosten auf die Verbraucher zu überwälzen." Aus Sicht von Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, wird sich am schwachen Preisdruck angesichts von Globalisierung, moderaten Lohnzuwächsen und Digitalisierung vorerst auch wenig ändern. "Die EZB dürfte ihr Versprechen für unveränderte Leitzinsen im September bis Ende 2020 verlängern", erklärte er. Bisher verspricht sie das nur bis Ende 2019.

Kopfschmerzen dürfte den Währungshütern Experten zufolge bereiten, dass die Inflationsrate ohne die schwankungsreichen Preise für Energie und unverarbeitete Lebensmittel im Mai gesunken ist. Die sogenannte Kernrate schwächte sich auf 1,0 Prozent von 1,4 Prozent im April ab. Energie verteuerte sich im Mai weniger stark als zuletzt. Der Preisanstieg lag hier bei 3,8 nach zuvor 5,3 Prozent. Die Preise für unverarbeitete Lebensmittel zogen um 0,4 Prozent an nach 0,8 Prozent im April.

Zinswende verschoben

Die EZB peilt als Optimalwert für die Wirtschaft mittelfristig eine Teuerung von knapp zwei Prozent an. Dieses Ziel wird aber seit langem verfehlt. Die Euro-Wächter haben eine Zinswende bis mindestens ins nächste Jahr verschoben. Zu ihrer Zinssitzung am Donnerstag werden neue Inflations- und Konjunkturprognosen der hauseigenen Volkswirte vorliegen. Diese dürften für den weiteren geldpolitischen Kurs der Notenbank eine wichtige Rolle spielen.

"Zwar ist es für die EZB wahrscheinlich zu früh, eine geldpolitische Lockerung deutlicher zu diskutieren, ein neues Signal von Mario Draghi kann aber nicht ausgeschlossen werden," erklärte Frederik Ducrozet vom Schweizer Bankhaus Pictet. Zumindest sollte die Notenbank bereit stehen, alle ihre Instrumente nötigenfalls einzusetzen und Zinssenkungen und neue Wertpapierkäufe nicht ausschließen. Die Notenbank hatte ihre billionenschweren Anleihenkäufe Ende 2018 eingestellt und ersetzt seitdem in ihrem Bestand nur noch auslaufende Papiere. Ihr Leitzins liegt seit 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. (APA, 4.6.2019)