Für viele wird das Smartphone im Sommer zu einem lästigen Objekt. So abwegig ist das nicht. Selbst wenn die Füße gerade in der Ägäis baden, erinnert das rechteckige Ding an Arbeit, an soziale Verpflichtungen, an nicht enden wollende Whatsapp-Chats. Und so gehört es neuerdings zum guten Ton, im Urlaub Abstand zu halten, Ruhepausen einzulegen, Digital Detox nennt man das.

Ich verzichte auf derlei Vorsichtsmaßnahmen. Denn das Smartphone ist mein wichtigster Begleiter, mit ihm nehme ich ein Stück Zuhause in die Welt mit. Ein solches Bekenntnis kommt leider einem Geständnis gleich. Wer das Handy selbst im Urlaub nicht beiseitelegen kann, gilt als vorgestriger, suchtgefährdeter Tropf: Wie kann man bloß auf Samothraki sitzen und nicht einfach mal abschalten?

Das Smartphone immer mit dabei.
Foto: Anne Feldkamp

Eine nicht unberechtigte Frage. Die intensive Beziehung zu meinem Smartphone lässt sich nicht beschönigen. Bedauernswert bin ich trotzdem nicht. Es ist sogar anders rum. Sobald ich im Sommer auf Reisen bin (und das ist meistens so), nimmt unsere Beziehung an Fahrt auf. Wenn die Temperaturen auf über 30 Grad klettern, bauen wir sogar eine besondere Nähe zueinander auf. Das Handy liegt dann nicht nur täglich in meinen schwitzigen Händen oder steckt körpernah in den Taschen meiner Shorts, es beweist auch darüber hinaus Qualitäten.

Das kann ich deshalb guten Gewissens behaupten, weil mich das rechteckige Ding bereits seit mehreren Sommern begleitet. Sein Speichervolumen ist zudem ungleich größer als das des Freundes: Während Letzterer die kilometerlangen Fußmärsche durch Rom in jenem August vor drei Jahren schon halb vergessen hat, weiß Mister Smartphone, was ich an jedem einzelnen Tag getan habe. An je-dem ein-zel-nen Tag, wenn dieses Maß an Aufmerksamkeit nicht etwas zu bedeuten hat! Als Hinweis für den Freund: Am 11. August 2016 sind wir zu dritt bei sengender Hitze durch die Kulissen der Cinecittà-Filmstudios marschiert.

Die Fotogalerie der Autorin lässt sich bis in den Sommer 2013 zurückverfolgen.
Collage: Magdalena Rawicka

Schwache Momente

Die Erinnerungen in der Fotogalerie reichen mittlerweile zurück bis in den Sommer 2013. Sie erzählen von einem Urlaub in der Toskana, mit Minipool und Sonnenbrand. Hätte Mister Smartphone genug von diesen Augenblicken, würde er doch längst streiken, richtig? In Momenten wie diesen oder dann, wenn er ganz ohne Hilfe eines Filters wieder einmal einen symmetrischen Sonnenuntergang eingefangen hat (so wie am 24. August 2017 in Tiflis), bilde ich mir ein, dass da mehr im Spiel sein muss. Dann ertappe ich mich bei dem Gedanken: Ich bin nicht die einzige Romantikerin hier.

Nur: Mit dieser Einschätzung stehe ich allein da. Alle Beobachter unserer Langzeitbeziehung sind der Meinung, dass es sich um eine einseitige Leidenschaft handelt. Schlimmer noch, dass ich nicht mehr bin als die Ernährerin dieses nervigen Dings, das sich dauernd ungefragt zu Wort meldet. Doch Warnungen schlage ich in den Wind, das ist mir unsere Beziehung wert. Ich weiß ja, was zu tun ist. Wenn Mister Smartphone nicht mehr will, erhöhe ich das Datenvolumen. Für den nächsten Sommer sollte es dann reichen. (Anne Feldkamp, RONDO, 16.7.2019)


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