Was brummt denn da? In der Schottenfeldgasse ist ein dickes Ding aus Tel Aviv gelandet, da geht's ausgesprochen hoch her.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Neben vielen anderen Köstlichkeiten gibt es auch allerhand Pizzen und sonst wie köstlich belegte Fladen aus dem Ofen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Gute an den vielen Haubenrestaurants der Luxushotels der Hauptstadt: Sie sind fast immer leer, wie gemacht für diskrete Mauscheleien mit dem Oligarchen seiner Wahl. Meistens nicht so gut: das Essen, eine müde Ansammlung aus Gels, Pürees und Dekogemüsen, die sich um leblos hergeschmeichelte Edelteile aus der Sous-vide-Box kuscheln. Man kann halt nicht alles haben, nicht einmal als zertifizierter Tantentäuscher.

Ein neuer Player am Markt geht jetzt einen anderen Weg. Nachdem die Gastro im Hotel stets ein Subventionsposten ist, könnte man doch auch in ein Konzept investieren, das Gästen wie Betreibern tatsächlich Freude macht, auf das Grätzl ausstrahlt und im Idealfall Umwegrentabilität für den Standort generiert.

So etwas Ähnliches scheinen sich die Macher des Max Brown Hotel in der Schottenfeldgasse gedacht zu haben. Mit Eyal Shani aus Tel Aviv als Betreiber setzen sie auf Stimmung statt Sterne. Der Koch, der in Tel Aviv acht wilde Party-Locations als herausragende Restaurants betreibt und mit seinen "Miznon"-Standeln zwischen New York, Paris, Wien und Melbourne so erfolgreich ist, dass es in China mittlerweile 1:1-Fälschungen davon gibt, versteht es außerdem, seine Ideen so zu vervielfältigen, dass auch ohne persönliche Anwesenheit stets ein Schimmer seines Ruhms gegenwärtig zu sein scheint.

Zum Schauen

Vergangene Woche war er kurz in Wien, da konnte man den Mann mit dem jugendlich grauen Haarschopf katzengleich durch die massive, mit gut zehn Köchen besetzte Schauküche seines Seven North schleichen sehen, wie er gerade Teig mit schlafwandlerischer Eleganz zu einer Art Pizza auseinanderzog, um sie auf dem Plattengrill zu braten und mit massenhaft Kräutern, Chili, Tahina und anderen Gemeinheiten zu belegen, um dann mit bloßen Händen einen Brocken Fleisch aus der butterweich geschmorten Lammschulter zu löffeln und ihn mit Seelenruhe darüber zu zupfen. Sieht sehr hübsch aus, schmeckt auch.

Für hygienisch Schreckhafte ist ein Lokal wie das Seven North nicht zu empfehlen. Die wären zu beschäftigt damit, sich an der Intimität zu stoßen, welche die Mannschaft den Lebensmitteln hier angedeihen lässt, als dass sie auf den Geschmack achten könnten.

Man kommt aber auch so ganz schön ins Schauen. Wenn einer der Köche etwa ein paar Ziegel hervorholt, die aussehen wie frisch aus einem Moderkeller geborgen, um sie in minutiöser Kleinarbeit mit papierdünnem Roastbeef zu belegen, bis der Stein komplett darunter verschwunden ist.

Dann taucht der Mann alle fünf Finger einer Hand in einen Senftiegel und schleudert die tropfende Masse ebenso entschlossen wie elegant über das Fleisch. Dasselbe geschieht noch mit dem Rübenkren Chrain, einer magentafarbenen Paste von erheblicher Schärfe. Dann viel feingehackten grünen Chili, schwarzen Pfeffer, natürlich einen schonungslos großzügigen Schlenker Olivenöl darüber – fertig ist ein Ziegel Fleisch voll Feuer und Eleganz.

Gute Laune aus dem Lautsprecher

Verkohlte Süßkartoffel zum Auslöffeln gibt es auch, den gratinierten Signature-Karfiol und die legendären Melanzani-Lines (weich geschmort und auf Tahina in akkurat ibizenkische Form gehackt) sowieso. Aber auch allerhand Pizzen und sonst wie köstlich belegte Fladen aus dem Ofen. Gebraten und geschmort wird fast ausschließlich auf gusseisern emailliertem Geschirr, es ist eine Freude, das anzusehen.

Dazu pumpt gute Laune aus den Lautsprechern, auf Arabisch, auf Englisch, Französisch, Hebräisch sowieso. Die Kellner sind von ansteckender Nonchalance, die Weinkarte hat neben allerhand Mainstream auch wunderbare Flaschen von Occhipinti, Foradori oder Sextant zu bieten – es ist also alles da, um sich auf die Schnelle aus diesem bleiernen Vorwahlfrühling zu vertschüssen. (Severin Corti, RONDO, 7.6.2019)