Rolex verweigert sich dem Onlinehandel – noch.

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Wie hochemotional das Thema E-Commerce in der Uhrenbranche verhandelt wird, zeigten die jüngsten Vorfälle in Deutschland: Nomos Glashütte beschloss Ende 2018, mit den beiden Online-Plattformen Chrono24 und Chronext zusammenzuarbeiten, und wurde prompt von der Juweliersfamilie Wempe öffentlich ermahnt, man drohte mit Auslistung. Ein Schuss vor den Bug für die Sachsen, die über Wempe kolportierte 45.000 Uhren verkaufen. Nach einigem Hin und Her hatte man sich wieder lieb, aber nur weil Nomos den beiden Plattformen eine Absage erteilte.

Aber ganz ohne Online wird es künftig nicht gehen, da sind sich Analysten wie Luxuskonzernbosse einig. Johann Rupert etwa, Kapitän von Richemont, dem zweitgrößten Luxuskonzern der Welt, stellt fest, dass ein digitaler Kanal von entscheidender Bedeutung sein werde, wenn es darum geht, direkt auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Flugs übernahm Richemont, unter dessen Dach Top-Uhrenmarken wie IWC und Cartier vereint sind, den führenden Onlinehändler für Luxusgüter, Yoox Net-a-Porter. Um den chinesischen Markt zu erobern, tat man sich mit der größten Shoppingplattform Chinas zusammen: Alibaba. Denn gerade der chinesische Markt – mit seinen kaufkräftigen Millennials – gilt als besonders luxus- und internetaffin, schließlich wird dort schon jetzt ein Drittel aller Luxusgüter weltweit abgesetzt. 2025 soll es fast die Hälfte sein.

Direkter Weg

Eine eindeutige Verschiebung der Verkaufskanäle sehen die Analysten von Morgan Stanley. Demnach werden die eigenen Onlineshops der Uhrenmarken in zehn Jahren ein Viertel des Umsatzes erwirtschaften, während der Anteil der Markenboutiquen auf 18 Prozent steigen werde – zum Leidwesen der Uhrenhändler. Konzessionäre wären also gut beraten, online den direkten Weg zum Kunden zu suchen.

In der Branche hält sich aber die Auffassung, dass sich teure Luxusuhren online nicht verkaufen lassen würden. Es fehle, so der Tenor, das exklusive Kauferlebnis. Diesen Bedenken setzt zum Beispiel der chinesische Online-Riese JD.com einen "White Glove Delivery Service" entgegen: Ein Bote in Anzug, Krawatte und mit weißen Handschuhen bringt dem Kunden die Uhr persönlich nach Hause. Dem kann Philipp Budiman, Gründer und CEO von Montredo, wiederum nichts abgewinnen – als Digital Native sei er es gewohnt, online einzukaufen, außerdem halte er von dem ganzen Tamtam beim Juwelier wenig.

Online verweigern

Hinzu kommt ein weiterer schwerwiegender Vorwurf, dem sich die elektronischen Handelsplätze ausgesetzt sehen: Sie würden den Graumarkt befeuern. Etwas, dass sowohl Budiman als auch Philipp Man, Gründer von Chronext, nicht auf sich sitzen lassen wollen. Für beide ist der Onlinehandel nicht daran schuld, dass diese undurchsichtigen Kanäle existieren. Vielmehr hätten es die Hersteller selbst in der Hand, Überkapazitäten zu vermeiden, um so den Graumarkt einzudämmen.

Zwei Player haben sich bereits für eine Seite entschieden: Rolex winkt beim Thema E-Commerce ab, ebenso Patek Philippe. Gut möglich aber, dass mit dem Eintritt von Facebook, Instagram und Co in den Onlinehandel auch diese Fronten aufgeweicht werden. Denn die sozialen Plattformen suchen nun, da sie Milliarden Menschen miteinander vernetzt haben, ihre dominante Stellung durch neue Ertragsquellen zu sichern.

Sie heißen Facebook Marketplace oder Instagram-Checkout. Letzterem wird von Experten viel Potenzial zugesprochen: Hersteller können ihre Produkte dort direkt aus der App verkaufen. Burberry, Prada, Nike u. a sind in den USA schon mit an Bord. Der mobile Einkauf wird damit noch unkomplizierter – was dem Onlinehandel einen ordentlichen Schub verpassen wird. Kaum vorstellbar, dass sich die Luxusuhrenhersteller, die sich selbstverständlich auch auf diesen Plattformen tummeln, dem entziehen werden können. (Markus Böhm, RONDO, 30.7.2019)