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Greta Thunberg ist zur Ikone des Klimaschutzes geworden.

Foto: REUTERS/Lisi Niesner

Die Kulturwissenschafterin Charlotte Krick warnt vor einer Personifizierung der Fridays for Future. Die Forderungen der Bewegung gehen ihr nicht weit genug.

Vergangenen Freitag empfing die Fridays-for-Future-Bewegung in Wien ihre Initiatorin Greta Thunberg. Die 16-jährige Schwedin, die mit streng gebundenen Zöpfen ins Licht der Öffentlichkeit tritt, ist zur Ikone des Klimaschutzes geworden.

Während oft die Politikverdrossenheit junger Menschen beklagt wird, hat sich entgegen dieser Wahrnehmung in ebendieser Generation der Wille entwickelt, sich für den Klimaschutz einzusetzen. Genau diesen Willen zu hemmen, hat das Organisationsteam der Schulstreiks offenbar geschafft. Der Schüler Mati Randow jedenfalls engagiert sich nicht mehr, nachdem er merken musste, wie sich die Bewegung in eine Lifestylebewegung verändert hat. Party statt Protest? Anstatt mehr Schülerinnen und Schüler zu erreichen, zog die Bewegung Erwachsene an.

Nicht die Erste

Von Kindern angeführte Klimademos fanden bereits vor Thunbergs Aktivismus statt. 2009 war es die Inderin Yugratna Srivastava, die vor den Vereinten Nationen in New York über die Erderwärmung und die katastrophalen Konsequenzen für die Umwelt sprach. 1992, beim Klimagipfel in Rio de Janeiro, war es Severn Cullis-Suzuki. Und bevor es die Fridays for Future gab, fanden die Climate Wednesdays statt.

Erst seit Thunberg für das Klima streikt und Reden in Katowice und Davos ("Ich will, dass ihr in Panik geratet") hielt, ist eine Bewegung um sie herum entstanden, aus der sich weltweit Ableger gebildet haben. Im Vergleich zu Srivastava scheint die aus dem reichen Norden stammende Thunberg fernsehtauglicher zu sein. Die Inderin kennt kaum einer. Mag es daran liegen, dass die Klimakinder ein neoliberales Phänomen sind? Eine Form des Marketings wie die Bewerbung von Biogemüse?

Klima und Politik

Dazu gehört auch die Personifizierung einer Bewegung, die ebenso angreifbar ist wie ihre Ikonisierung. Die Ziele werden auf eine Person reduziert, anstatt das Wirtschaftssystem einer radikalen Kritik zu unterziehen. Wenn schon Schüler aufgeben, weil sie die Show nicht ertragen, dann läuft etwas grundlegend falsch.

Eines der Probleme aber, warum aufgrund von Forderungen einer Bewegung keine Veränderungen herbeigeführt werden, mag darin liegen, dass man die Klimakatastrophe als unpolitisierbar markiert. Dass die Klimafrage als eine überparteiliche gesehen wird. Doch Maßnahmen gegen den Klimawandel sind per se politisch, und so sollten sich Organisationen erst recht als politisch begreifen.

Nicht radikal genug

Die Forderungen der Fridays for Future sind richtig, aber sie sind nicht radikal genug. Die Hauptursache des Klimawandels, das Wirtschaftssystem, wird durch die von Thunberg verkörperte Symbolpolitik nicht angesprochen, sondern durch ihre Verkörperung noch perpetuiert.

Das inhärente Problem in unserem kapitalistischen System, das wir lösen müssen, ist, dass es immer Gewinner und Verlierer gibt. Es mangelt uns nicht an Erkenntnissen zur Klimakrise, es sind unsere Regierungen, die noch immer effektiven Klimaschutz blockieren. Rio, Kioto und Paris hinterließen unterschriebene Abkommen. Doch wie will man den CO2-Ausstoß reduzieren, ohne der Wirtschaft gleichzeitig zu schaden? Wir müssen abkommen von einem Wirtschaftssystem, dem jedes Mittel recht ist, und hin zu einem nachhaltigen Konsum kommen, zu einer Politik, die als Mittler dient und für Gleichgewicht sorgt. Denn wenn Fliegen kostengünstiger ist als Zugfahren, fällt die Entscheidung leicht.

So bleibt nur zu hoffen, dass die Partyleichen ihren Rausch ausschlafen, dass der Event wieder zur Bewegung wird und die Kinder ihre Arbeit fortsetzen können. (Charlotte Krick, 4.6.2019)