Foto: AFP/MICHAL CIZEK

Prag – Zehntausende Demonstranten haben am Dienstagabend die sechste Woche in Folge gegen Premier Andrej Babiš und die neue Justizministerin Marie Benešová protestiert. Auf einer Kundgebung auf dem Wenzelsplatz in Prag, die von dem Netzwerk "Millionen Augenblicke für die Demokratie" veranstaltet wurde, forderten die Teilnehmer den Rücktritt beider Politiker.

Die Veranstalter bezifferten die Zahl der Demonstranten auf 120.000, der Wenzelsplatz war fast gefüllt. "Es gab schon genug Lügerei und Betrug", "Babiš raus!" oder "Es ist uns nicht egal!", riefen die Demonstranten und forderten eine "unabhängige Justiz".

Zehntausende Menschen protestierten am Dienstag auf dem Wenzelsplatz gegen den Regierungschef und die Justizministerin.
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Die Kritiker von Benešová befürchten, dass sie Druck auf die Staatsanwaltschaft wegen der strafrechtlichen Verfolgung von Babiš ausüben könnte. Die Polizei hatte im April eine Anklage gegen den Premier im Zusammenhang mit der Storchennest-Affäre vorgeschlagen, in der es um mutmaßlichen EU-Subventionsbetrug geht. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat darüber bisher noch nicht entschieden.

Babiš reagierte auf die Demonstrationen mit Kritik. Am Mittwoch sagte er, die Demonstranten irrten: "Wenn diese Leute auf den Plätzen brüllen, dass ich ein Lügner, Betrüger und Verbrecher sei, dann ist das inakzeptabel", kritisierte der 64 Jahre alte Multimilliardär. Ein Gesprächsangebot der Regierungskritiker lehnte er ab.

Babiš unter Druck

Die Kritik an Babiš selbst wurde in der vergangenen Woche deutlich verstärkt, nachdem in tschechischen Medien ein interner Rechnungsprüfungsbericht der EU-Kommission veröffentlicht worden war. Babiš wird vorgeworfen, als Regierungschef und Unternehmer in einem Interessenkonflikt gestanden zu sein. Babiš soll immer noch Verbindungen zu Agrofert haben, obwohl er die Holding 2017 zur Verwaltung an einen Treuhandfonds abgeben musste. Dem vorläufigen Bericht nach könnte die EU-Kommission sämtliche an die Agrofert-Holding gezahlten Subventionen zurückfordern.

Der EU-Bericht war auch Thema der Sitzung des Abgeordnetenhauses. Die Opposition kritisierte den Regierungschef scharf uns sprach über "niederschmetternde Informationen zu dem Interessenkonflikt von Babiš". Der Regierungschef wies alle Vorwürfe als "politisch motiviert" zurück. Den EU-Bericht bezeichnete er als "zweifelhaft" und als eine "Attacke gegen Tschechien". Zu einer Rückzahlung von EU-Subventionen gebe es "absolut keinen Grund", weil er weder tschechische noch EU-Vorschriften verletzt habe. (APA, 5.6.2019)