Wachsende Flut an Paketen: Lebensmittel herausgerechnet, erledigen die Österreicher mittlerweile 18 Prozent ihrer Einkäufe online.

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Wien – Österreichs Einzelhändler schauen beim Onlinehandel zusehends durch die Finger. Die Loyalität zu den rund 9.000 Webshops hierzulande nimmt weiter ab. 57 Prozent der gesamten Ausgaben im Distanzhandel sichern sich bereits ausländische Anbieter, allen voran Amazon, Zalando und Alibaba. Das zeigt eine aktuelle Studie des Handelsverbands und der Plattform E-Commerce & Cross Border in Zusammenarbeit mit der KMU-Forschung Austria.

Zwischen Mai 2018 und April 2019 sollen demnach 4,5 Milliarden Euro ins Ausland abgeflossen sein. Österreichs Distanzhandel verblieben 3,6 Milliarden Euro. Mit einer Kehrtwende rechnet Harald Gutschi nicht. Es sei schade für heimische stationäre Händler, die online Gas geben, sagt der Vizepräsident des Handelsverbands und Chef des Versandhauses Otto in Österreich. Letztlich aber sei der Nutzen, den Kunden aus einem globalen Einkauf ziehen, einfach zu groß.

Ungleicher Preiskampf

Produzenten nutzten den Direktvertrieb übers Web, teure Zwischenstufen im Handel würden ausgeschaltet. "Stationäre Händler können preislich auf Dauer nicht mithalten." Gutschi sieht vor allem Betriebe in schwächeren B-Lagen in der Bredouille. "Viele Ortskerne werden ausgehöhlt." Er macht zugleich aber einen Gegentrend zu Globalisierung und standardisierten Produkten aus: Unbestritten gebe es auch einen Hang zur Regionalisierung, von dem Stadtzentren durchaus profitieren könnten.

7,5 Milliarden Euro gaben die Österreicher im einjährigen Untersuchungszeitraum online gemäß den 1.400 telefonisch befragten Konsumenten aus. Das sind um drei Prozent mehr als im Jahr davor. Rainer Will, Chef des Handelsverbands, spricht von einem "absoluten Rekordwert". Die Zahl der Internetshopper stieg in Summe um zwei Prozent.

Mehr online als stationär

Im Non-Food-Bereich werden der Studie zufolge 18 Prozent aller Einkäufe online abgewickelt, was in etwa dem Niveau der Schweiz entspricht. Bei einzelnen Produktgruppen, etwa Laptops, sei der Anteil, der stationär erworben wird, mittlerweile schon der geringere, rechnet Gutschi vor.

Kräftig zugelegt hat die Zahl jener Kunden, die übers Smartphone shoppen. 26 Prozent sind es laut der Studie derzeit, wobei Gutschi von einem weitaus höheren Anteil ausgeht. Allein bei Otto nutzten 45 Prozent der Konsumenten ihr Handy zum Einkaufen. Bei Amazon und Zalando sei der mobile Anteil noch erheblich größer.

Weniger Retouren

Drei von zehn Euro online kommen dem Modehandel zugute. Die Retouren sind hier erstmals gesunken, wenngleich von einem sehr hohen Niveau aus, ließen die befragten Konsumenten durchblicken. Gutschi führt dies zum einen auf immer detailliertere Produktbeschreibungen und -bewertungen zurück. Zum anderen agierten aber auch junge Kunden nachhaltiger und umweltbewusster.

Elektrogeräte und Bücher bleiben Schwergewichte im Webhandel. Die stärksten Zuwächse erlebten Möbel und Dekoration mit einem Plus von 18 Prozent, erläutert Studienautor Ernst Gittenberger von der KMU-Forschung. Zweistellig legte auch die Kosmetikbranche zu. Um neun Prozent zogen Onlinegeschäfte mit Schuhen an.

Lebensmittel bleiben Web fern

Im Langzeitvergleich offenbaren sich vor allem im Sport- und Spielwarenhandel deutliche Verschiebungen weg von stationären Geschäften hin zu Webshops. Mit einem Anteil von nur einem Prozent fast unter der Wahrnehmungsgrenze bewegt sich jedoch nach wie vor der Onlinehandel mit Lebensmitteln. Gutschi ist sich freilich sicher, dass es früher oder später auch hier zu Umbrüchen kommt: Die Schweiz, in der sich viele große Lebensmittelkonzerne online engagierten, zeige es vor. "Es enstehen hier immer mehr intelligente Geschäftsmodelle." (Verena Kainrath, 5.6.2019)