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Kein Ende in Sicht beim Handelskrieg USA – China. Die Märkte werden auch vom Brexit und vom geschwächten Wachstum belastet.

Foto: Reuters / Jason Lee / Illustration

Das Gezanke zwischen den USA und China ist um eine Facette reicher. China hat eine Reisewarnung für die USA ausgesprochen. Chinesische Touristen werden via Staatsmedien auf die Gefahren von Waffengewalt, Raub und andere Bedrohungen hingewiesen. Kurz davor hatten die Chinesen bereits eine Warnung vor einem Studium in den USA ausgesprochen. Auch Unternehmen sollten sich vor Schikanen durch US-Behörden in Acht nehmen, heißt es.

Beim Streit zwischen den beiden Ländern geht es eben nicht nur um Handelsschranken und Zölle. "Es geht um viel tiefer greifende Veränderungen, um die strategische Führerschaft im 21. Jahrhundert", sagt Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock. Das zeige sich auch im Streit um Huawei. Hier würden verschiedene Bereiche gegeneinander ausgespielt. Zweifelsohne ist China für das weltweite Wachstum ein wichtiger Indikator. "China trägt rund 30 Prozent zum globalen Wirtschaftswachstum bei", sagt Lück. Damit sei das Reich der Mitte wichtiger als die USA, die rund zehn Prozent beitragen.

Trump muss liefern

Doch Donald Trump muss seinen Wählern beweisen, dass die USA – so wie im Wahlkampf behauptet – von China ausgenutzt werden. Gerade im Mittleren Westen, wo viele Industriearbeitsplätze verlorengegangen sind, konnte Trump mit dieser Message punkten. Fairere Handelsbedingungen, Zölle sowie ein besserer Schutz des geistigen Eigentums sind Punkte, bei denen Trump daher liefern muss. Ein Deal würde auch die Märkte beruhigen.

China ist inzwischen aber ein globaler Gegenspieler geworden – etwa bei Technologie, bei der militärstrategischen Positionierung, bei Zugriffsmöglichkeiten auf die Rohstoffe von morgen. "Trump will seinen Wählern zeigen, dass er der größte Dealmaker aller Zeiten ist und er die Chinesen in die Knie gezwungen hat."

Dabei trifft die Abschwächung des Wachstums gerade beide Länder. Die Gefahr einer Rezession sieht Lück in den USA derzeit aber nicht. China hingegen steuere mit dem erleichterten Zugang zu Krediten und einem Investitionsprogramm gegen die Abschwächung in der Region. Von der Nachfrageschwäche sind vor allem Industrieunternehmen betroffen. "Das ist bereits erkennbar", sagt Lück. Während der Binnenmarkt eben von der Binnennachfrage lebe, sei der Industriesektor im Welthandel exponierter.

Europa gefährdeter als die USA

Europa hält Lück als Region für rezessionsgefährdeter – allem voran wegen der Schwäche Italiens. In Summe zeigt sich der Experte aber positiv und denkt, dass "wir schon wieder am Ende der Wachstumsdelle sind und in Richtung Stabilisierung gehen". Die EZB tue also gut daran, abzuwarten und die Zinsen bei null zu belassen und mit der Normalisierung der Geldpolitik zu warten. Stabilisiert sich die Wachstumslage, könnte die EZB ihre Haltung ändern. Im Moment hielte Lück das für zu früh.

Mit dem Rettungsschirm, der Bankenunion und der EZB-Politik sei die Eurokrise so beigelegt worden, dass die akute Gefährdungslage abgewendet werden konnte. Die Politiker hätten damals alles gemacht, um den Patienten am Leben zu erhalten, aber nichts, was ihn auch leben lasse. "Wir sehen eine gewisse Verzagtheit Europas", sagt Lück. Viele Länder seien mit sich selbst beschäftigt, es fehle an überzeugenden Fortschritten für Europa. Zudem würden sich populistische Regierungen – etwa in Italien – auf Konfrontationskurs mit dem europäischen Konsens befinden. Es fehle eine überzeugende Bewegung hin zu einer besseren europäischen Integration, um die Aufgaben zu meistern, die auf Europa zukommen. Lück zählt dazu auch eine Währungsunion, die auf Dauer funktionieren könne und die auch ein gewisses Maß an fiskalischer und sozialer Integration brauche.

Migration bleibt Thema für Europa

Mit der Migration werde Europa zweifelsohne weiter zu kämpfen haben. "Das ist und bleibt eine Herausforderung", so der Marktexperte. In den nächsten Jahrzehnten würden wohl noch deutlich mehr Menschen aus den südlichen Regionen nach Europa kommen, und Europa habe darauf keine Antwort. Selbst Länder, die sich bei anderen Fragen nahestehen, hätten beim Thema Migration unterschiedliche Antworten. Hinzu kommen Länder wie Italien, die eine komplett andere Position zeigen.

Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock: "Bei wichtigen Zukunftsfragen sind die europäischen Staaten noch ein ganzes Stück voneinander entfernt."
Foto: Manuel Debus

Das gefährde die Fähigkeit Europas, gemeinsam zu handeln. Denn die einfache Antwort, die Populisten auf wichtige Fragen geben, sei immer: Das eigene Land zuerst. Das Versprechen der Renationalisierung ist oft die einzige Antwort auf Fragen, die nur international gelöst werden können. Neben der Migration zählt Lück hier die Digitalisierung und den Umgang damit und auch Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel auf. Nicht zu vergessen, die separatistischen Tendenzen und der Brexit. Das Hin und Her der Briten trage jedenfalls nicht zur Beruhigung der Märkte bei.

"An den Börsen war 2018 ein Übergangsjahr", erklärt Lück. 2017 war ein Jahr mit starkem Wachstum in vielen Teilen der Welt. Das hat zu hohen Unternehmens- und Aktiengewinnen geführt. Die Zinsen waren niedrig. Das hat sich 2018 geändert. Die Zinsen sind gestiegen, das hat die Volatilität zurück an die Märkte gebracht. Zurückgekehrt ist die Volatilität in zwei Episoden. Im Februar wurde wegen der US-Steuerreform eine Überhitzung befürchtet, im Oktober erreichte die Kerninflation in Amerika zwei Prozent, und es herrschte die Angst, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen nun stärker anheben würde. Hinzu kamen Ängste, dass der Wachstumspeak überschritten war. Die Erwartungen der Investoren hätten sich zum Jahreswechsel ins Negative gedreht, was zu überzogenen Korrekturen geführt habe.

Sicht wird klarer

Nun sehen Investoren wieder klarer. Heuer sei die Situation genau das Gegenteil von 2018. "Im Vorjahr haben wir Sorgen um die Zinsen gehabt, nicht aber um das Wachstum. Heuer sorgen wir uns nicht um die Zinsen, aber ums Wachstum. Daher spielten Themen wie Handelskrieg, Brexit und Abschwächung der Konjunktur eine entscheidendere Rolle."

Anlegern empfiehlt Lück eine Mischung aus risikoreicheren und risikoärmeren Sektoren. Auf der defensiven Seite biete der Gesundheitssektor Chancen. Auf der risikoreicheren Seite hätten Aktien aus den Schwellenländern gute Gewinne abgeworfen. Auch der exportorientierte Sektor biete Chancen – jedoch mit allen Risiken des Welthandels und den damit verbundenen laufenden Konflikten. (Bettina Pfluger, 6.6.2019)