Jeffrey Eugenides: Das große Experiment. Erzählungen
22,70 Euro / 334 Seiten
Rowohlt 2018

Foto: rowohlt

Der US-Schriftsteller Jeffrey Eugenides interessierte sich schon immer für alles Körperliche. Je schwieriger begreifbar, desto lieber ist es ihm. Mit seinem Roman Middlesex hat er sich der Intersexualität zugewandt. In dem eben bei Rowohlt erschienenen Band ist die Erzählung Orakel der Vulva eine Art Rückblick darauf.

Es ist aber nur eine von vielen Erzählungen mit medizinischem Background. Eugenides pickt sich die brisanten Diagnosen der Zeit heraus. Etwa Frauen, die eines Tages feststellen, dass sie 40 Jahre alt sind, keinen Partner haben und ein Kind wollen. Bratenspritze heißt der Text über eine Fruchtbarkeitsparty. Ebenfalls fantastisch ist Klagende, die Geschichte zweier Freundinnen, die die Demenz einfach nicht akzeptieren, sowie die Geschichte einer Familie, die sich im Überlebenskampf verzettelt, weil sie im Burnout ist.

Nicht beim Namen nennen

Eugenides' Kunst ist es allerdings, Krankheiten selten beim Namen zu nennen. In der Erzählung über einen Mann, der seine Kinder nicht sehen darf, fällt das Wort Alkohol kein einziges Mal.

Einzigartig in der Literatur ist die Erzählung Air Mail, die präzise Schilderung einer Durchfallerkrankung, die durch Amöbenruhr verursacht wird. Eugenides' Protagonisten wollen normal sein, und gerade das macht die Schilderungen authentisch. (Karin Pollack, 6.6.2019)