Sozialpartner sind einem großen Teil der Bevölkerung verbunden – ihre Positionen dienen dem Land insgesamt, nicht einer kleinen Gruppe.

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Leser Thomas Jandl mit Anmerkungen und Ergänzungen zum Gastkommentar "Abrissbirne Kurz: Die Zweite Republik ist Geschichte" von Hosea Ratschiller.

Der Kabarettist Hosea Ratschiller schreibt, dass die Konsensdemokratie tot sei und wir Sebastian Kurz dafür zu danken hätten, dass er mit der Pseudoharmonie aufgeräumt habe.

Keine Pseudoharmonie

Pseudoharmonie hat es wohl nie gegeben. Es ging den Sozialpartnern nie um Streicheleinheiten, sondern um das Erstreiten einer volkswirtschaftlich akzeptablen Lösung. Während sich Kleinlobbys um das Gemeinwohl nicht sorgen müssen, sind die Sozialpartner einem großen Teil der Bevölkerung verbunden und müssen daher Positionen erstreiten, die dem Land insgesamt dienen, anstatt einer kleinen Gruppe exorbitante Vorteile zu verschaffen.

Der Politökonom Mancur Olson beschreibt in seinem Buch The Rise and Decline of Nations: Economic Growth, Stagflation and Social Rigidities, wie diese soziale Organisation der allumfassenden Interessenvertretung Volkswirtschaften wie Schweden, Norwegen und auch Österreich erfolgreicher gemacht hat, als nach ihrer Größe oder ihrem Rohstoffreichtum zu erwarten gewesen wäre.

Eine "Umverteilungskoalition"

In Systemen, in denen eine Vielzahl von Interessengruppen gut und gerne streiten, gewinnen die Bestorganisierten. Wenn es eine Lobby zum Beispiel erreicht, einen Einfuhrstopp auf ein Produkt durchzusetzen, um es dann als Monopolist zu verkaufen, kann der Gewinn für diese Gruppe immens sein. Die Kosten zahlt die Bevölkerung durch höhere Preise und die Wirtschaft durch niedrigere Kaufkraft. Dem Land geht es insgesamt ein bisserl schlechter, aber die "Umverteilungskoalition" (nach Olson) macht einen Riesengewinn. Daher hat sie auch keinen Grund, sich in ihren Forderungen zurückzuhalten.

Andererseits müssen politische Systeme mit umfassenden Interessenvertretungen auf das gesamtwirtschaftliche Wohl schauen, denn sie vertreten einen zu großen Teil der Bevölkerung, um einfach Wohlstand auf ihre Mitgliedergruppen umzuverteilen. Daher bleibt die Sozialpartnerschaft weiterhin ein Garant dafür, dass wir hier keine amerikanischen Bedingungen bekommen, wo jede Kleinstinteressengruppe mit einer eigenen Lobby ohne Rücksicht auf das Gesamtwohl ins Feld zieht.

Für das Allgemeinwohl

Auch das Einbeziehen der Opposition und von Experten im politischen Entscheidungsprozess ist wichtig für gute Politik zum Allgemeinwohl – auch das wurde von Kurz/Strache mit dem Wrecking Ball bedacht. Kurz war in der Tat eine Abrissbirne, und es bleibt nur zu hoffen, dass wir uns die Vorteile unserer allumfassenden Interessenvertretungen nochmals genau überlegen, ehe wir ihn weiter darauf einschlagen lassen. (Thomas Jandl, 5.6.2019)