Die SPÖ-Spitzen beim Maiaufmarsch 2019 am Wiener Rathausplatz.

Foto: Newald

Sie sind beseelt vom Drang, ihre Partei zu retten. Doch als die roten Altvorderen aus der Politik ausgeschieden sind, hatten sie noch keine Ahnung davon, dass etliche Jahre später so hochartifizielle technische Wunderwerke wie Smartphones und Social-Media-Plattformen die Welt verändern würden. Wenn also diese Altehrwürdigen aus einer anderen Zeit beginnen, ihren politischen Kindern und Enkelkindern vom Balkon herunter die Welt zu erklären und gute Ratschläge zu erteilen, ist Alarmstufe Rot angesagt.

Die Alten sind durch ihre jahrzehntelange Verankerung in der Partei bestens vernetzt und können noch immer einen ordentlichen Wirbel entfachen. Das weiß auch die ÖVP aus ihrer langen Geschichte der Obmanndemontagen. Und das erlebt jetzt die, noch jung an der Spitze der SPÖ, sich bislang ziemlich glücklos bemühende Pamela Rendi-Wagner.

Sie sieht sich von einer Phalanx roter Politpensionisten bedroht, angeführt vom Altkanzler Franz Vranitzky. Die ergrauten Männer werfen ihr vor, nicht fit für die Anforderungen des neuen medialen Zeitaltes zu sein. Und sie bringen wieder Gerhard Zeiler ins Spiel. Zeiler, der 63-jährige Topmanager internationalen Formats, Präsident von Turner International, das auch CNN bespielt, sei mit allen Medienwassern gewaschen und würde – so der fiebrig-freudige Traum seiner nicht wenigen Fans in der SPÖ – den türkisen Jungpolitiker Sebastian Kurz in TV-Duellen alt ausschauen lassen.

Aber: Wenn das alles ist, was die Herzen der Altvorderen und ihrer Gefolgsleute begehren, wäre das reichlich trivial. Für die Lust am Schaukampf reicht eine Eintrittskarte zum Wrestling in der Stadthalle.

Rote Botschaft der Zukunft

Denn in der SPÖ geht es um alles, um die Existenzberechtigung als traditionsreiche soziale Partei. Das zeigt auch gerade das Beispiel des Sturzflugs der SPD in Deutschland, bei dem ebenfalls ein Altgedienter, Ex-Parteichef Sigmar Gabriel, mitmischt. Solange die Sozialdemokratie nicht begreifbar machen kann, warum sie in Zeiten dieses globalen technologischen und sozialen Gesellschaftsumbruchs gewählt werden soll, franst diese alte Bewegung weiter aus. Sie wird überflüssig.

Die Hoffnung vieler in der SPÖ, dass sich mit den verdienten Kalibern wie Vranitzky und Zeiler alte Erfolge wieder einstellen und auch alte Wähler in die Partei zurückgeholt werden können, ist trügerisch und nur allzu kurz gedacht. Die Analysedaten der EU-Wahl zeigen deutlich, dass die SPÖ bei den unter 30-Jährigen punkten kann. Dort ist das Potenzial, und dorthin muss wohl auch die rote Botschaft der Zukunft gerichtet werden.

Noch hat die SPÖ aber keinen Plan und kein Gesicht. Die Einzigen in Österreich, die ein klares Bild vermitteln, sind die Grünen und die Neos. Die Grünen sind als Umwelt- und Klimapartei erkennbar, die Neos verkörpern Liberalität und Weltoffenheit. Auch wenn sich ÖVP und FPÖ jetzt wegen der SPÖ-Krise die Hände reiben, sie seien gewarnt: Auch sie kommen dran.

Auch ein Sebastian Kurz wird irgendwann demnächst die Frage beantworten müssen, wofür seine Partei eigentlich steht – außer für Stimmenmaximierung. Und die FPÖ muss sich entscheiden: Ausländerfeindlichkeit, Volkstümelei, Sammelbecken für Ewiggestrige – oder etwas anderes?

Die SPÖ hat da einen Vorteil: Sie fängt jetzt früher mit der Selbstfindung an – für die Nationalratswahl im Herbst aber wahrscheinlich zu spät. (Walter Müller, 6.6.2019)