Ungemach für Babiš: Zu Tausenden fordern empörte Tschechen auf dem Wenzelsplatz den Rücktritt des Regierungschefs.

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Prag – Der tschechische Regierungschef Andrej Babiš spielt nach dem Bekanntwerden eines internen EU-Rechnungsprüfberichtes über mögliche Interessenkonflikte die Tragweite der Affäre herunter. Der von tschechischen Medien bereits vergangene Woche veröffentlichte Bericht kommt zum Schluss, Babiš und seine Firmen hätten rund 17,4 Millionen Euro Fördergelder zu Unrecht kassiert.

Babiš erklärte am Mittwoch dazu, er werde sich beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 20. und 21. Juni in Brüssel beim Kommissionspräsidenten persönlich beschweren: "Ich werde Herrn Juncker selbstverständlich fragen, wie es möglich ist, dass er so inkompetente Prüfer hat, die sich skandalös benehmen."

Über 100.000 demonstrierten

Am Dienstagabend waren rund 120.000 Menschen auf den Prager Wenzelsplatz gekommen, um den Rücktritt Babišs zu fordern – eine der größten Protestkundgebungen in Prag seit dem Sturz des kommunistischen Regimes im Jahr 1989.

Seit Ende April finden wöchentlich Demonstrationen gegen Babiš statt. Seit längerer Zeit steht der Regierungschef unter Druck, weil er vor einem Jahrzehnt sein Agrofert-Firmengeflecht genutzt haben soll, um zu Unrecht an Fördergelder zu kommen. Die Vorwürfe führten letztlich auch zur Prüfung durch die Kommission. Konkret hätte der größte tschechische Arbeitgeber Agrofert in den vergangenen Jahren wegen der Interessenkonflikte keinen Zugang zu EU-Entwicklungsgeldern haben dürfen.

Die tschechischen Behörden müssen zu dem Prüfbericht vor seinem Abschluss und der offiziellen Veröffentlichung erst eine Stellungnahme abgeben. Eine Rückforderung der Fördergelder steht im Raum. In den Augen von Babiš handelt es sich bei dem Prüfbericht jedoch um einen Angriff auf die Tschechische Republik. Eine Rückzahlung der Gelder schloss er aus, den Prüfern warf er Schikanen gegenüber den Behörden vor.

Affäre um Storchennest

Auch von den tausenden Demonstranten zeigte sich Babiš unbeeindruckt. Diese irrten sich, sagte der 64-jährige Milliardär am Mittwoch im tschechischen Fernsehen: "Wenn diese Leute auf den Plätzen brüllen, dass ich ein Lügner, Betrüger und Verbrecher sei, dann ist das inakzeptabel."

Vor seinem Amtsantritt als Regierungschef im Jahr 2017 hatte Babiš Agrofert in Stiftungen ausgelagert, doch dies ist laut Prüfbericht keine ausreichende Trennung, da Babiš sowohl Gründer als auch Nutznießer der Konstruktion ist. Vor zehn Jahren soll Babiš für das Wellness-Resort Capí Hnízdo (Storchennest) in Mittelböhmen zwei Millionen Euro Fördergelder kassiert haben. Zu diesem Zweck wurde das Areal aus der Agrofert-Holding ausgegliedert. Laut Babiš gehörte das Storchennest seinen beiden Kindern Andrej junior und Adriana. Dem Premier droht in der Causa ein Strafverfahren.

Vonseiten der Demonstranten wird befürchtet, dass sich die neue Justizministerin Marie Benešová in die Ermittlungen einschalten könnte. Benešová hatte das Amt übernommen, nachdem ihr Vorgänger Jan Kněžínek Ende April am Tag nach dem Abschluss der Polizeiuntersuchung der Storchennest-Affäre zurückgetreten war. Trotz der wachsenden Proteste ist Babišs Ano-Partei in Umfragen weiterhin die mit Abstand stärkste Kraft. (red, 5.6.2019)