In Österreich erkannte der Verfassungsgerichtshof vor knapp einem Jahr Intergeschlechtlichkeit als Variante geschlechtlicher Ausprägungen und forderte eine verfassungskonforme Interpretation des Personenstandsgesetzes.

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"United in Diversity" lautet das heurige Motto des Life Ball. Das glamouröse Event wirbt jedes Jahr für mehr Toleranz gegenüber dem vermeintlich Andersartigen und regt die öffentliche Diskussion über Gleichberechtigung von Minderheiten im täglichen Leben an. Ein Beispiel dafür sind intergeschlechtliche Menschen, die nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können – nicht zu verwechseln mit Transsexualität.

In Deutschland trat dazu im November 2018 ein Gesetz in Kraft, das im Geburtenregister den Eintrag "divers" ermöglicht. In Österreich erkannte der Verfassungsgerichtshof vor knapp einem Jahr Intergeschlechtlichkeit als Variante geschlechtlicher Ausprägungen und forderte eine verfassungskonforme Interpretation des Personenstandsgesetzes.

Eine formale Gesetzesänderung erachtete er nicht für notwendig. Das Erkenntnis des Höchstgerichts schützt Menschen mit einer alternativen Geschlechtsidentität vor einer fremdbestimmten Geschlechtszuweisung durch staatliche Regelungen.

Generelles Gleichbehandlungsgebot.

Diese Entscheidung hat zunächst keine direkten Auswirkungen auf andere Gesetze oder privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) verbietet bereits jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts: In der Arbeitswelt gilt ein generelles Gleichbehandlungsgebot.

Verboten ist jegliche geschlechtsspezifische Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, Festsetzung des Entgelts, Gewährung von Sozialleistungen, bei beruflichem Aufstieg, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung (§ 9 GlBG) verbietet es zudem, einen Arbeitsplatz "nur für Männer oder nur für Frauen" auszuschreiben. Darüber hinaus darf eine Ausschreibung auch keine zusätzlichen Anmerkungen enthalten, die auf ein bestimmtes Geschlecht schließen lassen. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung einer Tätigkeit ist.

Unternehmensinterne Gepflogenheiten

Nach dem Gesetzeswortlaut wäre also auch eine Person geschützt, die sich nicht eindeutig einem dieser Geschlechter zuordnen lässt. Allerdings bezieht sich der gesamte erste Teil des Gesetzes ausdrücklich auf die "Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt".

Auch § 2 GlBG betont als Ziel der betreffenden Regelungen – in Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie – die "Gleichstellung von Frauen und Männern". Diese explizite Zielsetzung könnte von ihrem Wortlaut her daher letztlich zu einschränkend sein, um intergeschlechtliche Personen vor Diskriminierung zu schützen.

Oft stellt sich auch die Frage, ob Arbeitsverträge zu "gendern" sind. Eine gesetzliche Verpflichtung gibt es dazu bisher allerdings nicht. Geschlechtergerechtes Formulieren basiert nach wie vor auf politischen Empfehlungen und unternehmensinternen Gepflogenheiten. Daran hat sich durch die Anerkennung diverser geschlechtlicher Ausprägungen nichts geändert.

Diskussionen könnte es beispielsweise auch über die Bereitstellung zusätzlicher sanitärer Einrichtungen oder geschlechtsspezifische Kleidervorschriften geben. Derzeit gibt es aber keine rechtliche Notwendigkeit, hier Änderungen in der Praxis vorzunehmen. Bei strengen Kleidervorschriften, die zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern unterscheiden, sollte es den betroffenen Arbeitnehmern überlassen bleiben, welche Uniform ihnen mehr zusagt.

Kein "drittes Geschlecht"

Geschlechtergetrennte Toiletten sind zudem nur dann einzurichten, wenn es mindestens fünf Vertreter eines Geschlechts im Betrieb gibt. Glaubt man den veröffentlichen Zahlen über intergeschlechtliche Personen, dürfte dies eine eher theoretische Diskussion sein. Was gerne übersehen wird: Ein "drittes Geschlecht" wurde in rechtlicher Hinsicht auch durch die VfGH-Entscheidung nicht geschaffen, auch wenn dies vielfach so ausgedrückt wird.

Bevor daher der Ruf nach neuen Gesetzen, "diversen" Toiletten oder gemischten Uniformen laut wird, sollte man zunächst mit den Betroffenen in Austausch treten und in Erfahrung bringen, worauf es intergeschlechtlichen Personen wirklich ankommt. Den Arbeitgebern wird man inzwischen wohl auch ein gewisses Fingerspitzengefühl zutrauen können. Dazu sind sie im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht ohnehin verpflichtet. (Simone Liebmann-Slatin, 6.6.2019)