Mette Frederiksen ist seit 2015 Vorsitzende der dänischen Sozialdemokraten. Bereits während des Wahlkampfs durfte sie entsprechend den Umfragen mit einem Sieg rechnen.

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Nach den Wahlen zum Folketing am Mittwoch zeigt sich Mette Frederiksen entschlossen: "Ich will Ministerpräsidentin für ganz Dänemark sein", verkündete die sozialdemokratische Parteichefin am Wahlabend. Der von Frederiksen angeführte linke Block hatte das bürgerliche Lager unter Lars Løkke Rasmussen, der bisher einer Minderheitskoalition vorstand, erwartungsgemäß weit hinter sich gelassen. Wer letzten Endes die Siegestrophäe für sich beanspruchen wird, ist indes keineswegs sicher.

Fest steht: Der Weg ins höchste Regierungsamt wird für Frederiksen steinig. Denn trotz rechnerisch klarer Mehrheitsverhältnisse bietet das Wahlergebnis zahlreiche Möglichkeiten der Interpretation, und unübersehbar brodelt es im linken Block als potenziellem Mehrheitsbeschaffer für eine sozialdemokratische Regierung. "Jetzt beginnt ein eiskalter Nervenkrieg zwischen den roten Siegern", titelt Politiken, und Jyllands-Posten urteilt: "Möglicherweise wird Mette Frederiksen Ministerpräsidentin. Falls sie es wird, dann allen Widrigkeiten zum Trotz."

Minus trotz Siegs

Die Sozialdemokraten hatten sich zwar als größte Partei behaupten können, allerdings im Rückblick ein schlechtes Wahlergebnis eingefahren, das noch leicht hinter dem von 2015 zurückblieb. Mit einer äußerst restriktiven Migrationspolitik gewann Frederiksens Partei unter anderem Wähler der Dänischen Volkspartei (DF), die die dänische Politik seit Anfang des Jahrtausends mit Forderungen nach immer strengeren Regeln für die Asyl- und Einwanderungspolitik vor sich hertreibt und die nun, da die großen Parteien im Wesentlichen auf ihren Kurs eingeschwenkt sind, mit einem markanten Rückgang zur großen Wahlverliererin geworden ist. Als bisherige Stütze der Regierung zog die DF damit Rasmussens rechtsliberale Venstre mit ins Verliererlager – obgleich seine Partei einen Stimmenzuwachs verbucht.

Am stärksten zulegen konnten aber zwei Parteien im linken Block: Die Sozialistische Volkspartei und die linksliberale Radikale Venstre haben ihr Ergebnis im Vergleich zu 2015 jeweils etwa verdoppelt und die Kräfteverhältnisse gegenüber den Sozialdemokraten damit offenkundig neu justiert. "Nicht gerade die beste Verhandlungsposition für Mette Frederiksen", kommentiert der Dänische Rundfunk lakonisch. Denn während Frederiksen erklärtermaßen an der restriktiven Asyl- und Migrationspolitik festhalten will, kommen von links ultimative Forderungen nach Kursänderung.

Chefin unter Bedingungen

Eine Schlüsselposition in den kommenden Verhandlungen schreiben Kommentatoren daher dem Vorsitzenden der Radikalen Venstre zu: Morten Østergaard machte bereits in der Wahlnacht eine klare Ansage: "Mette Frederiksen bekommt eine Chance. Wenn sie in meine Richtung geht, darf sie Ministerpräsidentin werden."

Frederiksens Wunschszenario einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung, die sich für die Durchsetzung ihrer Ziele auf wechselnde Mehrheiten aus dem bürgerlichen und dem linken Lager stützt, könnte also am Widerstand aus dem linken Lager scheitern. Vor den ersten Sondierungsgesprächen der Parteichefs mit der Königin am Donnerstagnachmittag präsentierte die Radikale Venstre ihren Forderungskatalog an Frederiksen als mögliche neue Regierungschefin. Neben konsequentem Umdenken in Sachen Klimaschutz enthält der Katalog just einen Kurswechsel in der Migrationspolitik.

Pia Olsen Dyhr von der Sozialistischen Volkspartei fordert eine Mehrparteienregierung, "um einen rot-grünen Kurs sicherzustellen"; und Pernille Skipper von der rot-grünen Einheitsliste stellt ihrerseits klar: "Mette Frederiksen leitet die Regierungsverhandlungen. Noch ist sie nicht Ministerpräsidentin." Für den Fall festgefahrener Verhandlungen im linken Lager bringt der Dänische Rundfunk in einem Kommentar den "Joker" Kristian Thulesen Dahl ins Spiel: Der Vorsitzende der Dänischen Volkspartei hatte zwar den Liberalen Lars Løkke Rasmussen als seinen Favoriten für das Amt des Ministerpräsidenten in Dänemark genannt, mehrfach aber auch Übereinstimmungen mit Mette Frederiksens Sozialdemokraten im sozialen Bereich wie auch in der Migrationspolitik betont. (Anne Rentzsch, 6.6.2019)