München/Köln/Luxemburg – Die deutschen Fernsehkonzerne RTL und ProSiebenSat1 machen bei der Werbung jetzt gemeinsame Sache, um Google und Facebook Paroli zu bieten. Werbekunden könnten künftig über eine gemeinsame Plattform selbst kleinste Zuschauergruppen der Sender und Onlinedienste zielgenau erreichen, teilten die Unternehmen am Mittwoch mit.

Dazu gründen sie eine Gemeinschaftsfirma, die die "Plattform zur automatisierten Buchung von Addressable TV und Onlinevideo" steuert.

Wer im Internet zum Beispiel nach einer Reise oder nach einem Mountainbike googelt, kann durch Adressable TV bald auch auf seinem Fernsehschirm plötzlich individualisierte Werbung dafür zu sehen bekommen. Denn mit dem Internet verbundene Fernsehgeräte laufen meist über denselben Router wie die Smartphones, Tablets und Computer im selben Haushalt.

Gezielte Kundenansprache

Die Werbewirtschaft kann aber auch größere Zuschauer- und User-Gruppen – etwa nach Alter, Geschlecht oder Haushaltseinkommen – im TV wie online gezielt ansprechen. Bei der gleichen Sendung bekommen die Zuschauer also unterschiedliche Spots zu sehen.

RTL und ProSiebenSat1 erhoffen sich eine neue Erlösquelle, die schon 2022 über eine Milliarde Euro groß sein soll. Schon heute sind 18 Millionen TV-Geräte im deutschsprachigen Raum für Addressable TV und somit für individualisierte Werbung erreichbar. "Unsere Werbekunden haben uns ihren Bedarf dafür klar signalisiert", sagte Seven-One-Media-Chef Thomas Wagner. Sie könnten nun aus einer Hand automatisiert kombinierte TV- und Video-Kampagnen buchen.

Kartellamt muss zustimmen

Bisher geht ein Großteil des Wachstums im Werbemarkt an die großen Internetkonzerne, während das traditionelle Werbefernsehen mit jährlichen Erlösen um die vier Milliarden Euro unter Druck steht. Sie erreichen schnell große Zielgruppen, etwa mit Bierwerbung im Umfeld eines Fußballspiels. Aber je zielgenauer die Werbung, desto mehr zahlen die Werbekunden – und da haben Google und Facebook die Nase vorn.

Das gemeinsame Adressable-TV-Angebot sei "eine echte Alternative zu den internationalen Tech-Plattformen", sagte RTL-Manager Matthias Dang. Auch Mittelständler, regionale Unternehmen oder auch Luxusmarken, die bisher nicht im Fernsehen Reklame machen, sollen als Kunden gewonnen werden. Die Zustimmung des Bundeskartellamts für das Joint Venture steht noch aus. (APA, 6.6.2019)