Smarte Lautsprecher wie der Echo Plus von Amazon wecken die Begehrlichkeiten von deutschen Strafverfolgern.

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Es ist ein oft gegen smarte Lautsprecher erhobenes Argument: Wer sich solch ein Gerät ins Wohnzimmer stellt, setze sich damit freiwillig der Überwachung aus. Immerhin würden diese Geräte dauernd mitlauschen. Dem halten die Hersteller entgegen, dass diese Behauptung Nonsens sei, da eine Aufzeichnung von Sprachinhalten erst nach der dem Aufruf eines Keywords wie "Alexa" oder "Hey Google" erfolgt. Das ist zwar technisch gesehen korrekt, hält aber die deutsche Politik nicht davon ab, nun trotzdem die schlimmsten Befürchtungen der Besitzer solcher Geräte wahrmachen zu wollen.

Überwachungsträume

Deutsche Strafverfolger sollen künftig Zugriff auf die von smarten Lautsprechern und anderen vernetzten Geräten gesammelten Daten haben. Auf diese Zielsetzung haben sich die Innenminister der von CDU/CSU und SPD geführten Länder am Mittwoch in Berlin geeinigt. Solche digitalen Spuren würden für die Strafverfolgung immer wichtiger, also wolle man die notwendigen gesetzlichen Grundlagen schaffen.

Kritik

Pläne, die allerdings auch praktisch umgehend auf scharfe Kritik stießen. So zeigt sich der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar geradezu empört. "Die Innenminister haben offenbar jedes Maß verloren" gibt er gegenüber den RND-Zeitungen zu Protokoll. Die Pläne seien ein "Frontalangriff auf unsere Privatsphäre". Auch der aktuelle Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber (SPD), zeigt sich wenig angetan von jenen Ideen, die zum Teil von seinen eigenen Parteikollegen kommen: "Gerade wenn es im Wesentlichen um Informationen, Gespräche oder sogar Videos aus Wohnungen und anderen privaten Orten geht, lägen hierin besonders gravierende Grundrechtseingriffe vor". Statt bei rückläufigen Kriminalstatistiken immer weiter über "verfassungsrechtlich bedenkliche Kompetenzerweiterungen" nachzudenken, sollten die Innenminister lieber daran arbeiten, "bestehende Vollzugsdefizite zu evaluieren und zu beheben" wird Kelber deutlich.

Auch die Opposition schlägt angesichts dieser Pläne Alarm: Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warnt vor "millionenfachen Wanzen in unseren Wohnungen". Der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser spricht wiederum vor einem "ausufernden Schnüffelstaat", der Zugriff "auf privateste Kommunikation und Lebensbereiche" beanspruche.

Dass der anvisierte Zugriff äußerst problematisch ist, scheint angesichts der Kritik mittlerweile auch im deutschen Innenministerium angekommen sein. In einer Stellungnahme betonte ein Sprecher, dass mit der Vorlage einige Bedenken verbunden seien. Insofern sei die aktuelle Vorlage auch nur als ein "erster Einstieg in die Diskussion" zu verstehen.

Amazon reagiert ein bisschen

Die potentiell betroffenen Unternehmen geben sich derzeit noch zurückhaltend, in einem ersten Statement ist Amazon vor allem darum bemüht, fehlerhafte Berichte über den Umfang der Datensammlung seiner Echo-Lautsprecher zu korrigieren. Zumindest betont man aber ganz allgemein, dass man sich gegen zu weit gefasste oder "sonst unangemessene Anforderungen" wehren wolle. Generell würden Daten nur nach rechtlich verbindlichen Anordnungen herausgegeben werden. Das geht natürlich an der Problematik vorbei, denn genau diese Rechtsgrundlage wollen die deutschen Innenminister nun schaffen. So soll der Zugriff auf all diese Daten nach den aktuellen Plänen erst nach einer richterlichen Anordnung erfolgen.

Vieles ist noch unklar

Derzeit sind aber noch viele Frage offen. So ist unklar, wie weit der Zugriff der Behörden schlussendlich gehen soll. Der sensibelste Bereich wären hier wohl jene Sprachaufnahmen, die Amazon oder auch Google von Haus aus bei der Interaktion mit solchen Geräten abspeichern. Ob dies den Strafverfolgern viel helfen würde, ist allerdings fraglich, immerhin erfolgen diese – wie erwähnt – immer erst nach dem Aufruf des zugehörigen Keywords. Zudem lassen sich diese Daten von den Nutzern selbst leicht wieder löschen.

Von einem generellen Zugriff auf das Mikrofon solcher Geräte – also der effektiven Verwandlung eines smarten Lautsprechers in eine Wanze – ist hingegen bisher nicht die Rede. Und dies dürfte auch schwierig werden, immerhin müssten die Hersteller dafür eine tiefgreifende Kooperation mit den Behörden eingehen. Zudem ist auch mehr als fraglich, ob dies eine sonderlich sinnvolle Art der Spionage wäre. Immerhin wäre sie alleine aufgrund des durch die dauerhafte Tonaufzeichnung generierten Datenstroms relativ einfach aufzuspüren. Zudem müssten die Hersteller auch ihre Software ändern, da solche Geräte üblicherweise über Lichter klar machen, dass sie gerade aktiv zuhören.

Zynismus

Die verblüffendste Reaktion auf die aktuellen Pläne lieferte das deutsche Justizministerium – wirkt sie doch angesichts der Diskussion geradezu zynisch. Jeder, der Alexa oder andere Sprachassistenten in seiner Wohnung nutze, müsse wissen, "dass natürlich immer die Gefahr besteht, dass jemand mithört und Daten generiert werden", betonte ein Ministeriumssprecher. "Sie können in vielerlei Hinsicht verwendet werden und theoretisch auch von Strafverfolgungsbehörden beschlagnahmt werden." Das klingt mehr nach einem Ratschlag, die Hände von smarten Lautsprechern zu lassen, als nach der Unterstützung der Pläne der Innenminister. (apo, 6.6.2019)