Künstlerin Dorit Margreiter beschloss für ihre Ausstellung nicht weniger, als "mein eigenes Museum ins Museum zu bauen."

Foto: Klaus Pichler

Für ihre Ausstellung Really! hat Dorit Margreiter neue Video- und Fotoarbeiten produziert. Die Professorin auf der Akademie der bildenden Künste reflektiert darin über moderne Architektur, Unterhaltungskultur und die Bedingungen des Sehens. Echte Räume und solche der Illusion werden dabei raffiniert überblendet.

STANDARD: Ihre aktuelle Ausstellung im Mumok trägt den Titel "Really!". Warum ein Ruf- und kein Fragezeichen?

Margreiter: Der Titel stammt von einer alten Werbepostkarte von Las Vegas aus den 1960ern. Mir hat gut gefallen, dass es mit Entertainment zu tun hatte und so ein Sensationsausruf war. Ich wollte es eben nicht hinterfragen, sondern ausrufen.

STANDARD: Was hat es mit den ausrangierten Neonzeichen Ihres neuen Films "Boulevard" auf sich?

Margreiter: Sie gehören dem Neon Museum in Las Vegas. Dieses Museum war ursprünglich eine Privatsammlung. Bevor Hotels gesprengt wurden, hat jemand die Neonschilder abmontiert und in seinem Hinterhof gerettet. Mittlerweile arbeitet das Neon Museum mit einem wissenschaftlichen Anspruch daran, die Geschichte von Las Vegas anhand der Zeichen von Casinos und Hotels zu dokumentieren, sie zu restaurieren und zugänglich zu machen.

Dorit Margreiters Videoninstallation "Mirror Maze" von 2019.
Foto: Dorit Margreiter

STANDARD: Was fasziniert Sie an dem Glücksspielmekka?

Margreiter: Für mich war das 1972 erschienene Buch Learning from Las Vegas von Denise Scott Brown und Robert Venturi sehr wichtig. Es dreht sich um die Herstellbarkeit einer Stadt, die nicht gewachsen, sondern quasi aus dem Nichts entstanden ist. Das Buch behandelt auch die Verknüpfung von Architektur und Zeichen. Es brauche keine architektonische Sprache, sagen Scott Brown und Venturi, sondern Zeichen würden genügen, um in der Architektur Bedeutung herzustellen. Für mich ist generell die Frage wichtig, ob sich etwas einfach herstellen und behaupten lässt. Und wie steht das dem gegenüber, was aus einer Geschichte gewachsen ist.

STANDARD: Auch der Prater ist eine Welt der Lichter und Zeichen. Wie entstand die Idee, dort einen Film in einem Spiegelkabinett zu machen?

Margreiter: Der Spiegel ist in der Kunst ein wichtiges Medium. Auch die Philosophie und die Psychoanalyse haben sich damit beschäftigt, sowie die Architektur der Postmoderne. Für mein Video Mirror Maze interessierte mich diese spezielle Verbindung von Architektur und Entertainment. Zunächst wusste ich nicht, wie man einen Spiegel überhaupt filmen kann. Das Spiegelkabinett im Prater ist ein Relikt aus einer anderen Unterhaltungsära.

Es existieren dort noch drei weitere und sie funktionieren alle nach demselben Prinzip: Man durchläuft einen bestimmten Parcours und beobachtet sich selbst dabei, wie man den Raum beobachtet. Gleichzeitig schauen Leute von draußen auf einen, wie man schaut.

STANDARD: Hatten Sie Vorbilder von Spiegelkabinetten in der Filmgeschichte?

Margreiter: In Orson Welles‘ Film The Lady from Shanghai gibt es etwa eine wahnsinnig schöne Verfolgungsszene, auch in Charlie Chaplins The Circus. Es geht immer um diese Vervielfältigung des Selbst und den Blick von außen darauf. Das ist ein sehr komplexes und abstraktes Thema, das lustigerweise im Spiegelkabinett so konkret und physisch verankert ist.

Ausstellungsansicht von Dorit Margreiters "Really!".
Foto: Mumok

STANDARD: Verhält sich Ihre Kunst kritisch zur Welt des Scheins und des Spektakels?

Margreiter: Ja, das war schon in meinen Arbeiten über Shoppingmalls so. Besonders deutlich wird es bei meinem Video Broken Sequence, für das ich eine Kopie von Disneyland in China besucht habe. Der Film zeigt die Ruine eines nie fertig gebauten Entertainmentparks.

STANDARD: Wie schlägt sich diese Haltung in Ihrer jetzigen, labyrinthisch angelegten Schau nieder?

Margreiter: Ursprünglich sollte das Spiegelkabinett die Ausstellungsarchitektur sein, aber das war mir dann zu platt. Schließlich habe ich diese mobilen Ausstellungswände des Mumok entdeckt und beschlossen, mir mein eigenes Museum ins Museum zu bauen. Ich wollte einen gebauten Raum und keine Illusion eines Raums. Meine Arbeiten hängen so, dass man nie eine für sich allein betrachten muss, sondern immer eine andere Arbeit als "Fußnote" hat. (Nicole Scheyerer, 7.6.2019)