"Zebra" oder das kunstvolle Spiel mit dem Visuellen: Op-Art-Künstler Victor Vasarely ist Teil der Ausstellung "Vertigo. Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520-1970".

Foto: Mumok

Viel zu lange galt die Kunstrichtung als effekthascherisch und kommerziell: Die in den 1950er- und 1960er-Jahren verbreitete Op Art (kurz für Optical Art) war zwar so modern, dass sogar Modedesigner ihre Muster aufgriffen. Die Kunstkritik rümpfte aber bald die Nase. Wie vielschichtig die Nachkriegsströmung tatsächlich war, beweist die aktuelle Ausstellung Vertigo. Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520-1970 im Mumok.

Die Grundlage der Op Art bildete die geometrische Kunst der Moderne. Künstlerinnen wie die Britin Bridget Riley gingen aber einen Schritt weiter und brachten die abstrakten Formen durch leichte Verschiebungen oder neue Farbkombinationen aus dem Gleichgewicht. Dabei stützten sie sich auf Phänomene der Wahrnehmung, denen sich niemand entziehen kann. Die Schau demonstriert auch anhand historischer Beispiele, dass Täuschung und Schwindel – im psychologischen wie im physischen Sinne – die Kunstgeschichte schon lange beschäftigen. Die Palette reicht vom barocken Marienbild mit Kippeffekt bis hin zu Zerrbildern, die ihre oft anstößigen Darstellungen nur von einem extremen Blickwinkel aus preisgeben.

Das Spiel mit dem Visuellen beginnt bereits auf der Treppe zum Mumok, wo die dreifarbige Bodeninstallation Promenade Chromatique Vienne von Carlos Cruz-Diez für Nachbilder sorgt. Wer eine der roten Flächen betrachtet und dann den Blick abwendet, behält die Form kurz im Auge – allerdings in der Komplementärfarbe Grün. Im Mumok selbst erzeugen Kompositionen aus Streifen, Rastern oder Punkten trügerische 3D-Effekte. Neben berühmten Op-Artisten wie Victor Vasarely macht die Schau mit heimischen Künstlerinnen wie Helga Philipp sowie mit Positionen aus Kroatien und Venezuela bekannt.

"Diese Kunst spricht nicht nur das Auge, sondern den ganzen Körper an", betonen die Kuratoren Eva Badura-Triska und Markus Wörgötter zu ihrer Neubewertung der Op Art. Der jetzige Ausstellungsparcours führt von flirrenden Gemälden, Reliefs und Objektbildern zu Rauminstallationen, die besagten Schwindel noch viel leichter auszulösen vermögen. Da blitzt grelles Licht, wandern bunte Linien oder vervielfältigen Spiegel die Realität: So stark die Erfahrungsräume der Op Art auch hineinziehen, ihre Machart ist in der Regel leicht nachvollziehbar.

Das gilt für die elastischen Fäden, die Gianni Colombo mittels Motoren in Bewegung versetzt ebenso wie für die aus Metallstäben konstruierte und klingende Installation Metal Vibration von Jesús Rafael Soto.

Als "Aktivierung" bezeichnete Künstlerin Marina Apollonio ihre Bodenarbeit, die aus konzentrischen Kreisen in Schwarz-Weiß besteht. Wer das Zentrum dieses Rundbilds betritt, das auch das Ausstellungsplakat ziert, wird zum Angelpunkt täuschender Rotationen. Jetzt nur nicht wanken: Dass der Kampf gegen die eigene Täuschbarkeit auch Lust bereitet, lässt sich am Lächeln der Taumelnden erkennen. (ns, 7.6.2019)