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In Khartum wird noch immer protestiert.

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Staatliche Quellen sprechen von 46, NGOs von weit über 100 Menschen, die bei der brutalen Räumung eines Oppositionscamps in Karthums Innenstadt von Milizionären getötet worden sind.

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Drei Tage nach der Räumung der "Revolutionsmeile" in der sudanesischen Hauptstadt Khartum kommt nach u nach das wahre Ausmaß der mit äußerster Härte durchgeführten Militäraktion zum Vorschein. Das der Opposition nahestehende Zentralkomitee der Ärzte spricht inzwischen von weit über 100 Toten, nachdem mindestens 40 Leichen aus dem Nil geborgen worden sind: Sie waren entweder erschossen, mit Macheten verstümmelt oder totgeschlagen worden, bevor sie von den Milizionären der berüchtigten Rapid Supply Forces (RSF) in den Fluss geworfen wurden.

Selbst offizielle Quellen wie das sudanesische Gesundheitsministerium sprechen inzwischen von 61 Toten; mehr als 500 Menschen seien nach Angaben der Opposition zum Teil schwer verletzt.

Dokumentierte Gräuel

Trotz des über das Land verhängten Internetblackouts werden über die sozialen Netzwerke immer mehr Einzelheiten der Grausamkeiten der RSF-Milizionäre bekannt. Sie sollen etwa einem jungen Mann, der einen verletzten Freund ins Krankenhaus bringen wollte, ins Bein geschossen haben. Als er daraufhin hinfiel, schossen die Milizionäre seinem Freund aus nächster Nähe in den Kopf: "Nun kannst du ihn gleich beerdigen", sollen die RSF-Kämpfer gespottet haben.

Einem weiteren Bericht zufolge erschossen die Milizionäre einen Ladenbesitzer, weil er für Wasserflaschen bezahlt werden wollte. In zahlreichen Videoaufnahmen sind RSF-Mitglieder zu sehen, die Autos anhalten und die Insassen auf die Straße beordern, um sie dort mit Stöcken zusammenzuschlagen. Selbst ältere Frauen und Männer seien von den Milizionären verprügelt worden.

Vereinzelt gingen auch am Donnerstag noch Demonstranten auf die Straßen von Khartum: Meist wurden sie jedoch schnell wieder auseinandergetrieben. Die Armeeführung bot bereits am Mittwoch wieder Gespräche mit der Opposition an, die sie tags zuvor offiziell abgebrochen hatte. Ein Oppositionssprecher lehnte Verhandlungen indes ab: Das Volk habe sein Vertrauen in die Militärs vollends verloren, sagte Amjad Farid.

Unterschiedlich wird in Khartum das Verhältnis der regulären Armee zur RSF-Miliz eingeschätzt. Manche Beobachter sprechen von einem "tiefen Zerwürfnis" innerhalb des Militärischen Übergangsrats (TMC), in dem sowohl Armeechef Abdel Fattah al-Burhan wie RSF-Chef Mohamed Hamdan Dagalo, alias Hemiti, eine führende Rolle spielen. Während Hemiti als Scharfmacher mit Präsidentschaftsambitionen gilt, seien Teile der Armee, vor allem Offiziere niederer Ränge, mit der jüngsten Eskalation unzufrieden, heißt es: Selbst eine militärische Konfrontation der beiden Flügel und ein regelrechter Bürgerkrieg könnten nicht ausgeschlossen werden.

Andere betrachten die scheinbaren Differenzen als abgekartetes Spiel, mit dem der zunächst gute Ruf der Armee während des Aufstands gerettet werden soll. Ihrer Auffassung nach hat sich Hemiti längst als starker Mann des Sicherheitsapparats durchgesetzt: Er befehligt die rund 30.000 RSF-Milizionäre, die sich bereits in den Bürgerkriegen im Darfur sowie in den Provinzen Weißer Nil und Süd-Kordofan den Ruf einer "gnadenlosen Truppe" (Human Rights Watch) zugezogen haben. Der einstige Kamelhändler, der lediglich drei Jahre die Schulbank gedrückt hat, soll sich an den Goldvorkommen im Darfur bereichert haben – und dadurch, dass er seine Kämpfer zur Unterstützung Saudi-Arabiens in den Bürgerkrieg im Jemen schickte. Er soll inzwischen Dollar-Milliardär sein.

Schweigen im Westen

Das saudische Königshaus hat dem TMC bereits Hilfe in Höhe von drei Milliarden Dollar (2,67 Mrd. Euro) zugesagt. Der Westen tut sich indes schwer, die demokratische Opposition zu unterstützen: Eine Verurteilung des Blutbads scheiterte im UN-Sicherheitsrat am Veto Chinas und Russlands. Mehr als verbale Verurteilungen sind kaum zu erwarten – dafür werden die Klagen dort wieder laut werden, wenn sich tausende Sudanesen gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen. (Johannes Dieterich, 6.6.2019)