Im Kosovo stieß die Nachricht vom Ableben des großen österreichischen Diplomaten Albert Rohan auf große Trauer. Man erinnert sich aber auch mit Dankbarkeit an sein Wirken. Außenminister Behgjet Pacolli sagte, dass Rohan zu den einflussreichsten Diplomaten gehört habe, die die Geschichte des Kosovo geprägt haben. Tatsächlich wurde Rohan im Kosovo von den Bürgern immer freudig begrüßt und war äußerst beliebt. Er war gemeinsam mit Martti Ahtisaari ab 2005 für die Vereinten Nationen als Sonderbeauftragter eingesetzt, um den künftigen Status der unter UN-Verwaltung stehenden ehemaligen jugoslawischen Provinz zu vermitteln.

Albert Rohan auf einer Archivaufnahme aus dem Jahr 2002.
Foto: Standard / Christian Fischer

Der Ahtisaari-Plan wurde später die Grundlage für die Verfassung des Kosovo. Die Republik erklärte sich im Jahr 2008 für unabhängig, bereits im Jahr 1991 hatte sich die Mehrheit der Bürger dafür ausgesprochen. "Seine Rolle für die Unabhängigkeit des Kosovo wird für immer in Erinnerung bleiben", schrieb Pacolli über den Vermittler, der ab 2006 die Verhandlungen in Wien mitgeprägt hatte. Auch Premierminister Ramush Haradinaj meinte, dass der Kosovo mit Rohan einen Freund verloren habe. Er habe sich stets für das Recht des Kosovo eingesetzt. Präsident Hashim Thaçi sagte, Rohan habe viel für den Frieden getan. Und Parlamentspräsident Kadri Veseli erinnerte sich daran, dass er Rohan erstmals 1998 getroffen habe und dass dies das erste Treffen zwischen einem Vertreter der UÇK und einem Diplomaten aus Europa gewesen sei.

Balance in der Machtstruktur

Ahtisaari und Rohan hatten sich vor der Unabhängigkeit, zehn Jahre nach dem Krieg zwischen serbischen Einheiten und der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK, auf wichtige menschenrechtliche Pfeiler in der neuen Verfassung konzentriert. Es ging vor allem darum, die Minderheiten (Serben, Roma, Ashkali, Ägypter, Bosniaken) zu schützen und eine Balance in den Machtstrukturen zu schaffen. In den Jahren nach der Unabhängigkeit hat sich diese Verfassung weitgehend bewährt. Rohan fokussierte sich auch auf die europäische Entwicklung des Landes, es ging ihm darum, das Bürgerbewusstsein zu stärken.

Zentral war für ihn ein Gedanke des ehemaligen UN-Hochkommissars für das Flüchtlingswesen, Sadruddin Aga Khan. Es geht dabei darum, einem überholten Stammesdenken in der politischen Gestaltung nicht nachzugeben, sondern den Menschen zuzumuten – auch wenn sie sich verschiedenen Gruppen zugehörig fühlen –, gemeinsam in einem Staat zu leben. Dies war auch ein wichtiges Motto für den Kosovo.

Auch aus diesem Grund stellte sich Rohan zuletzt ganz klar gegen irgendwelche Ideen von Grenzänderungen entlang ethnischer Kriterien, wie sie in den letzten Monaten auf dem Balkan diskutiert wurden. Er war einigermaßen erstaunt darüber, dass sämtliche österreichischen Politiker – Kanzler Sebastian Kurz und Präsident Alexander Van der Bellen – die Idee von diesen neuen Grenzziehungen, wie sie bisher nur die FPÖ unterstützt hat, plötzlich guthießen. Denn er sah darin eine Abkehr von der bewährten österreichischen Balkanpolitik.

Streitfrage Gebietstausch

Der LDK-Abgeordnete Vjosa Osmani erinnerte nun auch daran, dass Rohan sich gegen die Idee von ethnisch definierten Grenzen oder einem Gebietstausch nach ethnischen Kriterien gestellt hatte und damit die kosovarische Verfassung und den europäischen Gedanken darin verteidigt hatte. In einem Interview mit dem STANDARD im April dieses Jahres warnte er noch einmal eindrücklich vor solchen Ideen: "Österreich sollte sich gegen dieses Konzept stellen, welches eine destabilisierende Wirkung auslösen könnte", sagte er. Er war traurig darüber, dass Österreich seine Glaubwürdigkeit durch eine diffuse Balkanpolitik aufs Spiel setzte und dass in Wien nicht einmal mehr die Visabefreiung für die Kosovaren unterstützt wurde.

Rohan wusste sehr genau, dass eine positive Perspektive für die Gesellschaften in Südosteuropa nur mit einem ernst gemeinten Engagement der EU und dem Bestehen auf europäischen Werten möglich sein kann. "Österreich muss immer wieder betonen, dass das Beitrittsversprechen von Thessaloniki nach wie vor aufrecht ist", sagte er vor ein paar Wochen, "und alle Balkanstaaten in der EU willkommen sind." Es ginge darum, die Region zu stabilisieren und Konflikte zu vermeiden. Es ist zu hoffen, dass sein Vermächtnis in Zukunft auch wieder in Wien gehört wird.

Im Kosovo weiß man um sein Engagement Bescheid. Im Jahr 2009 wurde ihm die höchste kosovarische Auszeichnung, die Goldene Medaille für die Unabhängigkeit der Republik Kosovo, überreicht. Rohan freute sich aufrichtig über die Reaktion der Bürger, die ihm dankten. Damals sagte er: "Meine Arbeit im und für Kosovo begann nicht mit dem Statusprozess. Ich bin vor fast 20 Jahren, zum ersten Mal in den frühen 1990ern, hierhergekommen, und dann habe ich mein Herz hier gelassen." (Adelheid Wölfl, 6.6.2019)