Seit mindestens drei Tagen sieht und hört man aber von Kurz nichts mehr. Ich glaube, das ist ein Schachzug zur Herstellung eines künstlichen Mangels.

Foto: APA / Lukas Huter

Zum Thema Wahlkampf hat der alte Polemiker Michael Häupl einmal das Bonmot von der "fokussierten Unintelligenz" von sich gegeben. Sehr lustig, den Krisenkolumnisten hat er aber mit diesem Sager nicht beeindrucken können.

Denn als ehrgeiziger Staatsbürger kann ich mir nichts Schöneres vorstellen als unfassbar lange, nicht enden wollende Wahlkämpfe, die sich so lange dahinziehen wie der Buwog-Prozess. Erst danach fühle ich mich ausreichend informiert, um in der Wahlzelle mein wertvolles Kreuzchen bei der oder dem Besten aufs Papier zu zeichnen.

Einen feinen Vorgeschmack auf das zu Erwartende haben die EU-Wahlen geliefert. Bei einer Autofahrt quer durch Niederösterreich konnte ich mich vor ein paar Wochen vergewissern, dass praktisch an jedem einzelnen niederösterreichischen Baum, ob Lärche oder Linde, die Konterfeis des dynamischen freiheitlichen Duos Vilimsky/Strache hingen.

Künstlicher Mangel

Nachdem bei den hohen Moralstandards der FPÖ auszuschließen ist, dass diese Plakatorgie unsauber finanziert wurde, wird es wohl so gewesen sein, dass Vilimsky und Strache monatelang gespart und dann eigenes Geld zugeschossen haben, um ihre Ziele zu bewerben. Eine tolle Verschönerung des niederösterreichischen Landschaftsbilds war es jedenfalls. Hoffentlich hat es sich auch positiv auf die Unfallstatistik ausgewirkt!

Raffiniert legen die Türkisen ihren Wahlkampf an. Jahrelang wurden Bürgerinnen und Bürger mit liebevoll kadrierten und sorgfältig kontrollierten Bildern darüber informiert, wie unser junger Gott im Bundeskanzleramt die Weltgeschichte steuert und Trump, Macron und Merkel an seinen Lippen hängen.

Seit mindestens drei Tagen sieht und hört man aber von Kurz nichts mehr. Ich glaube, das ist ein Schachzug zur Herstellung eines künstlichen Mangels. Alle Österreicher, die dem kurzozentrischen Weltbild anhängen, haben jetzt schon Entzugserscheinungen wie Junkies nach zwei Wochen ohne Spritze und lechzen nach dem befreienden Schuss Silberstein-Bashing plus jugendfrische Politweisheiten ("Genug ist genug.").

Dann kommen noch 8344 Fernseh-"Duelle" und eine Obmann-/Obfraudebatte bei der SPÖ, die zwei Tage vor der Wahl mit voller Wucht ausbrechen wird. Herrliche Zeiten! Ich hoffe, Sie bleiben ebenso engagiert dran wie der Krisenkolumnist. (Christoph Winder, 8.6.2019)