Arthur Amirkhanyan produziert in der Provinz Gegharkunik Honig. Als Kind hatte er eine Bienenallergie.

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Dass Arthur Amirkhanyan Imker wurde, ist fast ein kleines Wunder. Denn der Armenier hatte schon als Kind eine Bienenallergie. Wenn ihn eines der Tiere, die sein Vater für die Honigproduktion hielt, erwischte, lag er tagelang im Bett. Heute ist von der Allergie nichts mehr übrig geblieben, bis zu 30 Stiche würden ihm nichts ausmachen, wie er sagt. Der Mann mit schmalen Schultern und schütter werdendem Haar steht inmitten seiner hundert Bienenstöcke, um ihn herum ist ein lautes Surren zu hören. Sonst ist es komplett still.

Seit acht Jahren produziert der Armenier in Kalavan, einem Dorf im Nordosten des Landes, Honig. Von Anfang an ökologisch sauber, sagt Amirkhanyan, nur eben nicht biozertifiziert: "Ohne Dokumente und Papiere geht das nicht." Die Zertifizierung selbst sei aufwendig und vor allem teuer. Die Stöcke müssen weit weg von einer Stadt stehen, im Umkreis von sieben Kilometern darf keine konventionelle Landwirtschaft betrieben werden. Dieses Kriterium war zumindest leicht zu erfüllen. Wer auf der wackligen Holzterrasse der Amirkhanyans steht, sieht weit und breit nur Wald und ein paar vereinzelte Häuser. Die nächste konventionell betriebene Landwirtschaft ist mehr als 30 Kilometer entfernt. "Es ist ein idealer Ort für Biohonig", sagt der Imker.

Drei Jahre bis zum Zertifikat

Andere Auflagen waren schwieriger: Die Umstellung auf Bio dauert drei Jahre. Bei der Honigproduktion kann jedoch das Wachs, aus dem Bienen die Waben bauen und das jährlich geschmolzen und wiederverwendet wird, Pestizide einlagern. Amirkhanyan musste den Rohstoff daher austauschen, in einem Jahr sollte die Bioumstellung abgeschlossen sein. Derzeit produziert der 33-Jährige bis zu 1,5 Tonnen Honig pro Jahr, die Tranche für die heurige Produktion war bereits vor der Abfüllung ausverkauft.

Amirkhanyan verkauft bis zu 1,5 Tonnen Honig pro Jahr.
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Mit dem Wechsel zur Biolandwirtschaft schließt sich Amirkhanyan einer kleinen, aber wachsenden Bewegung in Armenien an. Zwar hat sich die Zahl der Produzenten in den vergangenen vier Jahren verdoppelt, dennoch sind gerade einmal 80 der geschätzten 200.000 Vollerwerbslandwirte in dem Kaukasusland Biobauern.

Zu welchen Schäden intensive Landwirtschaft geführt hat, zeigen die ehemaligen Ufer, die noch schemenhaft am Rande des Sewansees zu erkennen sind. Vor allem in Zeiten der Sowjetunion wurde aus dem größten Süßwasserreservoir des Landes massiv Wasser entnommen, um Flächen im Ararat-Tal zu bewässern. Seit den 1930er-Jahren ist der Pegel um 20 Meter zurückgegangen, das Volumen um 40 Prozent. Nichtsdestotrotz hat die Regierung Mitte der Woche zugestimmt, weitere 170 Millionen Kubikmeter Wasser zur Bewässerung freizugeben.

"Früher nur Wüste"

Denn in weiten Teilen des Landes ist der Boden trocken, wie auch Nune Sarukhanyan weiß. Die gelernte Agronomin hat in Dzoraghbyur, einem Dorf im Osten der Hauptstadt Jerewan, ein Trainingscenter für Biolandwirtschaft aufgebaut. "Hier war früher nur Wüste", sagt die 57-Jährige. "Die Erde ist sehr schlecht." Gerade deshalb hat sich Sarukhanyan dieses Stück Land ausgesucht. Sie will Landwirten zeigen, dass auch der unfruchtbarste Boden für Bioanbau geeignet ist.

In Sarukhanyans Beeten wachsen mehr als hundert Pflanzensorten. Vor wenigen Monaten lagen sie noch brach.
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Der Erfolg lässt sich in dem Garten, der sich hinter dem Trainingscenter erstreckt, erkennen. Wo vor wenigen Monaten noch karge Beete zu sehen waren, biegen sich Bäume unter der Last von Zitronen, der Boden ist mit Stecklingen und Kräuterpflanzen übersät. Etwas abgelegen gackern Hühner, deren Ausscheidungen als Dünger einsetzt werden. Sarukhanyan hat sich zum Ziel gesetzt, den Bioanbau in ihrem Heimatland zu verbreiten. Während sie von den anfänglichen Stolpersteinen spricht, geht die Sprinkleranlage los. Sarukhanyan – nun etwas nass – scheint das nicht zu stören. Sie lacht und redet weiter: "Die Bauern bleiben eine Woche hier und lernen praktisch und theoretisch, wie Biolandwirtschaft funktioniert." Auch Arthur Amirkhanyan hat hier ein Training absolviert.

Junge Branche in Armenien

Bio ist noch eine relativ junge Bewegung in Armenien, für viele Landwirte ist die Idee neu. Zu lernen gibt es viel: Die Bauern erfahren, wie sie natürlich düngen können, wie sie die Produkte weiterverarbeiten und schließlich vermarkten können. Dabei wird auch erklärt, wo welche Pflanzen gedeihen. Die durchschnittliche Höhe des Landes liegt bei 1800 Metern, Obst und Gemüse müssen Temperaturen zwischen minus 30 Grad und Plusgraden von über 40 Grad im Sommer standhalten.

Künftig könnte sich im Bereich der Landwirtschaft, von der nach wie vor rund ein Drittel der Bevölkerung lebt, einiges ändern. Nach jahrelanger Misswirtschaft und Korruption wurden die bisherigen politischen Eliten 2018 durch die "samtene Revolution" abgelöst. Die Neoregierung unter Premier Nikol Paschinjan will die Verwaltung in Armenien dezentralisieren und die Positionen von Gemeinden stärken. Davon könnten auch Landwirte profitieren.

Rund ein Drittel der armenischen Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft.
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Außerdem will die Regierung noch heuer ein neues Biogesetz verabschieden, um den Sektor voranzutreiben und klarere Richtlinien zu definieren. "Bio macht noch weniger als ein Prozent der Landwirtschaft aus", sagt Armeniens Vizewirtschaftsminister Artak Kamalyan. Geht es nach der Regierung, soll der Anteil bis 2030 auf bis zu zehn Prozent wachsen. Dafür sei nicht nur eine agrarische Weiterentwicklung notwendig, sondern auch wirtschaftliche Maßnahmen, so Kamalyan: "Bioprodukte sind teuer, und das Durchschnittseinkommen ist vergleichsweise niedrig." Die Regierung will daher den Export von Bioprodukten vorantreiben und hofft auf größere Absatzmärkte im Ausland.

Auch Österreich hat sich an diesen Plänen beteiligt. Über dreieinhalb Jahre wurden armenische Biobauern und jene, die es werden möchten, seitens der EU und der österreichischen Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (ADA) mit insgesamt 3,3 Millionen Euro unterstützt. Die Landwirte wurden mit Equipment und Biosaatgut ausgestattet, aber auch dahingehend weitergebildet, wie sie weitere Märkte erschließen können. "Bauern, die auf Bio umgestellt haben, konnten ihren Umsatz um ein Viertel steigern", sagt ADA-Projektleiter David Muckenhuber. Er ist gespannt, was sich durch die neue Regierung in Bewegung setzen wird. Denn das derzeitige Biogesetz habe "noch viele Grauzonen". (Nora Laufer aus Jerewan, 8.6.2019)