Die Viking Sigyn ist schon lange nicht mehr in Budapest.

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Mehr als eine Woche nach der Schifffahrtskatastrophe auf der Budapester Donau stellen sich manche die Frage, warum der mutmaßliche Verursacher, das Flusskreuzfahrtschiff Viking Sigyn, Ungarn nach nur einem Tag wieder verlassen durfte. Bei dem Unglück waren mindestens 19 Menschen an Bord des Ausflugsschiffs Habléany (Nixe) ums Leben gekommen, nachdem es von der größeren Viking Sigyn gerammt worden war.

Von den 33 Mitgliedern einer südkoreanischen Reisegruppe und zwei ungarischen Besatzungsmitgliedern hatten nur sieben Südkoreaner überlebt. Ein 200 Tonnen schwerer Schwimmkran ist unterwegs, um die untergegangene Habléany zu bergen.

Neue Vorwürfe gegen Kapitän

Der Kapitän der Viking Sigyn, ein 64-jähriger Ukrainer, wurde in Budapest verhaftet. Am Donnerstag wurde bekannt, dass gegen ihn in den Niederlanden wegen eines ähnlichen Vorfalls ermittelt wird. Die Viking Sigyn selbst fuhr mit einem Ersatzkapitän in Richtung Österreich weiter.

"Es ist Nonsens, dass die Viking den Tatort nach einem Tag verlassen konnte und sich als Träger von allerlei Spuren und Beweisen der technischen Untersuchung entzieht", meinte der Rechtsanwalt György Magyar, der die beiden ungarischen Opfer vertritt, am Mittwoch im Info Rádió. In vergleichbaren Fällen würden derartige Unfallbeteiligte behördlich beschlagnahmt, fügte er hinzu.

Kommentatoren in Ungarn verweisen in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass die Schweizer Reederei Viking, unter deren Flagge der Kreuzer fährt, auch als Miteigentümer der Budapester Hafen- und Ponton-Anlagen aufscheint. Bis Ende 2013 hatte der Betreiber dieser Infrastruktur, das Unternehmen Mahart Pass Nave Gmbh., dem privaten Speditionskonzern Masped gehört. Die Regierung von Viktor Orbán entschied damals, dass der Staat 51 Prozent der Mahart PassNave erwerben sollte, während Viking die restlichen 49 Prozent kaufte.

Millionendividenden

Schon damals wurde gerätselt, warum der Staat, wenn er denn schon einsteigt, nicht die vollen Anteile erwarb, da die Pontons und Anlegestellen praktisch wie von selbst Einnahmen generieren. Infolge ihrer Miteigentümerschaft dürfte jedenfalls die Reederei Viking nach Berechnungen des Portals 24.hu 1,1 Milliarden Forint (3,45 Millionen Euro) an Dividenden aus dem Land gezogen haben.

Doch die Verstrickungen gehen noch weiter. Nach dem Einstieg kontrollierte der Ungarische Nationale Vermögensfonds (MNV) die staatlichen Anteile. Im März wurden diese aber an die Ungarische Tourismus-Agentur (MTÜ) übergeben, über die Orbáns Kanzleichef Antal Rogán die unmittelbare Aufsicht ausübt.

In Budapest ist es ein offenes Geheimnis, dass Orbáns Tochter Ráhel über bestimmenden Einfluss in der MTÜ verfügt. Offiziell übt sie dort nur eine unbezahlte freie Beratertätigkeit aus. 2014 hatte ihr Vater sie für stattliches Geld zum Studium des Tourismus-Managements an der École hôtelière in Lausanne geschickt.

EU-Gelder zurückgezahlt

Ihr Ehemann István Tiborcz war an einem EU-geförderten Beschaffungsgeschäft für Straßenbeleuchtungen maßgeblich beteiligt, von dem die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf feststellte, dass es auf kriminelle Weise manipuliert war. Der ungarische Staat zahlte die 13 Millionen Euro EU-Förderung zurück, um ein Strafverfahren gegen Orbáns Schwiegersohn zu vermeiden.

Ihm und seiner Gattin werden Ambitionen nachgesagt, sich bedeutende Teile der ungarischen Fremdenverkehrsinfrastruktur aneignen zu wollen. (Gregor Mayer aus Budapest, 7.6.2019)