Wer sie abgeschrieben hatte, irrte. Madonna veröffentlicht am Freitag ihr Album "Madame X".

Foto: Universal Music

Wegen Madonna denken Menschen beim Namen Madonna nicht mehr an die Mutter Gottes, sondern an – Madonna. Sie veröffentlicht am Freitag ein neues Album. Es heißt Madame X.

Madonna hat ein Problem mit ihrem Alter, der US-Popstar ist 60. Madonna sagt, sie fühle sich "vergewaltigt", weil in einem großen Porträt in der "New York Times" ihr Alter, wie sie meint, über die Maßen Thema war. Madonna sagt, sie darf das so sagen, weil sie mit 19 vergewaltigt worden sei. Das Porträt hat eine Frau geschrieben.

Geldgeile Pensionisten

Madonna sagt, das sei typisch Patriarchat, Alter sei bei Artikeln über männliche Kollegen nie Thema. Das stimmt nicht ganz. Die Rolling Stones zum Beispiel werden seit Jahrzehnten als geldgeile Pensionisten verarscht, aber die spielen halt per se alte Musik, während Madonna noch mit Mitte 50 versuchte, in der Teenie-Disco den Ton anzugeben. Das ging sich natürlich nicht aus. Auch auf Madame X hält sie noch ein wenig an dieser Mission fest. Das manifestiert sich vornehmlich im Einsatz von Auto-Tune. Da gilt wieder einmal: Wer mit der Mode geht, geht auch mit der Torheit.

Madonna mit Medellín: Hochzeit, Madonna-Style.
MADONNAVEVO

Madonna hält sich mit Zeug wie Yoga und gesunder Ernährung fit, den Rest lässt sie machen, und das sieht man. Die Schauspielerin Julianne Moore hat einmal gesagt, dass sie keine Frau kenne, die nach einer Schönheitsoperation besser aussehen würde als vorher. Julianne Moore ist eine sehr schöne Frau, aber das ist Geschmackssache.

Madonna lebt mit ihren zwei leiblichen und vier adoptierten Kindern in London und ein bisschen in Portugal und in New York. Madonna sagt, es sei für sie schwierig, Freunde zu finden. Madonna mag Donald Trump nicht. Der ist ein alter, weißer Mann. Madonna sagt, es stimme nicht, dass sie einmal ein Date mit Donald Trump wollte, andere Quellen behaupten das. Irgendwie ist es egal, was vor 35 Jahren war.

Vielen zu kompliziert

Madonna hat nichts mit dem gleichnamigen Käseblatt zu tun. Madonna ist die erfolgreichste Frau im Pop. Sie gilt als Role-Model, als Vorbild für selbstbestimmte, starke Frauen. Sie lebt vor, dass man geil und schüchtern zugleich sein kann, stark und schwach. Fordernd und großzügig. Das ist in einer Weltordnung, die Frauen nur in geil und ungeil unterscheidet, für viele bis heute zu kompliziert.

In den 1980ern und 1990ern war sie ganz vorne mit dabei, seither geht es sich nicht mehr so aus. Wäre ich ein 17-jähriges Girl, fände ich Billie Eilish auch cooler als Madonna, aber was weiß ich, ich bin ein alter weißer Mann.

Vernähte Lippen

Madonna fühlt sich wegen ihres Alters diskriminiert. Das passt zu dem Lied Killers Who Are Partying. Darin solidarisiert sie sich mit Unterdrückten aller Art. Schon der Albumtitel Madame X verweist darauf: Das "X" verwendeten befreite Sklaven als Hinweis, dass sie ihres afrikanischen Namens beraubt worden waren und den Namen ihres Sklavenbesitzers aus nachvollziehbaren Gründen nicht annehmen wollten, siehe Malcolm X.

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Das Cover bildet Madonna mit vernähten Lippen ab. Sie aber beweist, dass sie nicht mundtot zu machen ist. Madame X ist ihre beste Arbeit seit wahrscheinlich 20 Jahren. Das Auto-Tune-Gewese ... na ja, aber ansonsten sind viele Tracks ziemlich gut; von einem Alterswerk will man als alter Sack lieber nicht sprechen.

"I Rise"

Vier, fünf Titel weniger wären aber mehr gewesen; Madonna müsste sich nicht mehr so ehrgeizig geben. Madame X klingt wie ein modernes Weltmusikalbum. Ein bisschen Partymusik, eine Prise schwere Kost mit Scheiterhaufenkatholizismus (Dark Ballet), Latin, Fado, da Party (Medellín), dort Clubwumme (I Don’t Search I Find), im Räucherstäbchennebel durchmisst sie Esoterik-Ballaballa (Extreme Occident, Batuka), und am Ende droht sie allen, die sie schon abgeschrieben haben mit I Rise. Den Phönix kann man sich selber dazudenken.

Madonna mag irren wie wir alle, Fehler machen wie eine Sterbliche. Aber sie ist immer Madonna. Sie muss alles dürfen. Nur bei ihrem Gesicht hätte sie auf Julianne Moore hören sollen. Wieder typisch, so ein Textende, oder? (Karl Fluch, 12.6.2019)