Intrige um russische Investition: das weibliche "Kaviar"-Trio.

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Von Russland aus nach Westen gesehen ist Wien einer der ersten sicheren Häfen in der zivilisierten Welt. Hier gibt es Pässe, mit denen man problemlos in alle Welt reisen kann; Konten, von denen aus man swift in alle Steuerparadiese überweisen kann; und Immobilien, deren Käufer sich nicht groß ausweisen müssen.

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Der Oligarch Igor will sich aber nicht einfach mit einem vorhandenen Objekt zufriedengeben. Er möchte etwas entwickeln. Und weil man von einem teuren Hotel am Donaukanal halt gerade die Schwedenbrücke erblickt, hat er eine Idee: eine Ponte Vecchio für Wien. Eine überbaute Brücke wie in Florenz, am besten mit Zwiebeltürmen, damit alle sehen können, warum die Schwedenbrücke in Russenbrücke umbenannt werden müsste. Das Schwarzgeld für die Anzahlung auf die Anbahnung der Erschleichung einer Baugenehmigung wird in einem Koffer überreicht und landet dann in Liechtenstein zwischen.

Enthemmte Politiker

Der Deal, von dem die Komödie Kaviar von Elena Tikhonova erzählt, erinnert frappant an so manches, was in Ibiza vor zwei Jahren einer angeblichen Oligarchennichte geschildert wurde; aber diese unvermutete Rückkopplung zwischen der Fantasie eines enthemmten Politikers und der Wirklichkeit des Kinos liegt in Wahrheit darin begründet, dass Strache ja von nichts anderem sprach als von knallharten Realitäten.

Kaviar bleibt also gar nicht viel anderes übrig, als die Flucht nach vorn anzutreten: in einem Stil, den man als cartoonesk bezeichnen könnte, werden alle einschlägigen Klischees einmal durch den Kakao gezogen, der sich in einem Dixi-Klo so ansammelt. Das heißt: Es wird auch unappetitlich.

Georg Friedrich spielt Klaus, den Verbindungsmann zwischen den Fraktionen: eine große Rolle für den vielbeschäftigten Paradestrizzi. Klaus hat sich aus dem Internet die russische Blondine Vera (Darya Nosik) kommen lassen, die in Österreich aber ein Eigenleben entwickelt und mit Nadja (Margarita Breitkreiz), der Assistentin von Igor, und mit Teresa (Sabrina Reiter), der Nanny von Nadjas Kindern, eine Intrige spinnt. Das Ziel der drei Frauen ist, die diversen involvierten Männer (einen Wiener Stadtrat, einen Anwalt, Klaus, Igor) um das Geld zu erleichtern, das sie nicht einklagen könnten, weil es offiziell ja nirgend aufscheint.

Vergegenwärtigung des Grotesken

Kaviar ist in vielerlei Hinsicht ein aufschlussreicher Film über das heutige Österreich: Denn die austrorussischen Beziehungen sind ja vielfältiger, als es Putin-Versteher und Taschenträger glauben machen. Elena Tikhonova stammt aus Russland, lebt aber seit 2000 in Wien. Mit Kaviar hat sie nun ihren ersten Spielfilm (nach der Musikdoku Elektro Moskva) vorgelegt. Es geht nicht um hohe Kunst, sondern um eine Vergegenwärtigung des Grotesken – hübsche Animationen und der gewitzte Soundtrack von Karwan Marouf federn Drastisches immer wieder ab. Dazu kommt schöner Wortwitz: "Er hat meine Fühlungen verletzt", klagt Vera über Klaus. Sie hält sich dafür in Liechtenstein schadlos, und das ist dann höhere Gerechtigkeit. (Bert Rebhandl, 12.6.2019)