Außen Renzo Piano, innen Biedersinn und fantastisch gewagte Weinauswahl: Das Eugen 21 im Hotel Andaz beim Schweizergarten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Auch beim Essen gibt es nur wenig zu bekritteln.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das neue Restaurant des Andaz-Hotels beim Schweizergarten will dem Gast also "einen Einblick geben, wie Prinz Eugen im 21. Jahrhundert leben und speisen würde". Die Idee, dass dieser märchenhaft reiche, in Paris groß gewordene Inbegriff eines weltmännischen Europäers ausgerechnet in einem Kettenhotel hinterm Hauptbahnhof sein Quartier aufschlagen sollte, ist natürlich lachhaft. Und erst recht, dass er sich hier ausgerechnet an aufgemascherlter Wirtshausküche laben wollte. Aber PR-Knechte dürfen natürlich alles schreiben, was ihnen gerade nicht einfällt. Aber egal, hierorts muss man bekanntlich ganz anderes aushalten.

Beim Hereinkommen ist es vielleicht ein bisserl verwirrend, wenn einen der Kellner mit "Ja Servus, wie geht's" begrüßt. Danach geht es aber vergleichsweise geschmeidig zu. Das weitläufige Restaurant wurde mit Fischgrätparkett, Thonetstühlen, Samtbänken und anderen Versatzstücken der Wiener Kaffeehaustradition eingerichtet, die Speisekarte verspricht modernisierte Wirtshausgerichte.

Spektakuläre Weinkarte

Am bemerkenswertesten ist wohl die Weinkarte, die eine spektakuläre Auswahl naturnah arbeitender Winzer aus ganz Europa auflistet. Was da an maischevergorenen, unfiltrierten, in Tonamphoren und Betoneiern ausgebauten Herrlichkeiten von der Slowakei bis in den äußersten Nordwesten Spaniens – aber mit erfreulichem Schwerpunkt auf Österreich – versammelt wurde, ist eine richtig kantige, für Wien geradezu sensationelle Ansage. Dass sie nicht etwa in einer überhippen Weinbar, sondern in einem internationalen Hotel (wenn auch mit explizit zeitgeistigem Selbstbild) zu finden sind, sollte man nicht als Zufall missverstehen: Anderswo sind diese altmodisch gemachten, auf Würze und Finesse statt vorlaute Frucht fokussierenden Weine längst ein Megatrend – es wird also nur der Erwartungshaltung der intendierten Kundschaft entsprochen.

Auch beim Essen gibt es nur wenig zu bekritteln. Okay, eine Leberknödelsuppe um acht Euro ist mehr als happig, dafür ist die Rindsuppe tadellos, es schwimmt neben viel Wurzelgemüse und mürbem Beinfleisch auch ordentlich frischer Liebstöckl drin – und die zwei Knödel sind ausgesprochen lockere, ganz köstlich fleischige Dinger, in denen Leber und Majoran sich ein Duell um die Aromenhegemonie liefern. Vogerlsalat mit Käferbohnen und gepufftem Buchweizen kann es auch, die Blätter fleischig und knackig, die Bohnen von samtigem Schmelz, das Dressing mit Kernöl und Buttermilch richtig super. Auch die im Ofen gebackenen Rüben mit Spinat, Himbeeren und einer ziemlich fetten, eher wie Mascarpone wirkenden hausgemachten Ricotta sind eine sehr ordentliche, schwungvoll abgeschmeckte Vorspeise.

Boa!

Wem nach Abenteuer zumute ist, der kann sich auch an mit Blunze gefüllten Calamari versuchen oder an einer seltsamen Kombination aus lauwarmem Kalbskopf mit säuerlich-verbrannt wirkender Tomatensalsa (angeblich auf Flusskrebsbasis) und ein paar Tupfern Hummermayo obendrauf. Dass der Chefkoch extra bei Tisch erscheint, um einen tadellos geschmorten Schweinsbraten (den der Service zuvor als knusprig angepriesen hat) zu tranchieren und mit schmalzigem Semmelrösti in der Emailpfanne zu kombinieren, ist erfreulich. Dass das Fleisch auch noch von der herausragenden BOA-Freilandfarm Fred Zehentners stammt (obwohl in der Speisekarte ganz was anderes steht), noch mehr.

Nur beim Rücken vom Maibock geht dann doch wieder die klassische Hotelkrankheit mit der Küche durch: Der wird nämlich ebenso unnötig wie unverständlich sous-vide zu lebrigem Fleischbrei verunstaltet, weil das angeblich weniger Arbeit macht. (Severin Corti, RONDO, 14.6.2019)

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