Ein Bienenwolfweibchen trägt eine gelähmte Honigbiene im Flug zu ihrem Nest. Damit diese Larvennahrung nicht verschimmelt, geben die Bienenwolfeier Stickstoffmonoxid ab.

Foto: Gudrun Herzner

Nahrung, die unter warmen und feuchten Bedingungen gelagert wird, ist Anziehungspunkt von Schimmelpilzen, die diese bald ungenießbar, ja womöglich sogar giftig machen. Zur Verhinderung einer solchen Entwicklung kühlen wir unsere Lebensmittel. Tiere, die nicht über solche technischen Hilfsmittel verfügen, müssen zu anderen Methoden greifen. So produziert etwa der Europäische Bienenwolf (Philanthus triangulum) Stickstoffmonoxid, um zu verhindern, dass die Nahrung seiner Larven verschimmelt, wie nun Biologen herausgefunden haben.

Der Bienenwolf ist eine Wespenart, bei der die Weibchen Honigbienen jagen. Eine bis fünf Bienen werden dabei in eine Brutzelle gebracht, wo sie als Nahrung für eine Bienenwolf-Larve dienen. Da die Nester bevorzugt an sonnenbeschienenen, sandigen Stellen angelegt werden und tief in den Boden reichen, ist es in den Brutzellen warm und feucht. Solche Bedingungen fördern die Entwicklung von Bienenwolflarven, begünstigen aber auch das Wachstum von Schimmelpilzen.

Tatsächlich verschimmeln Bienen, die im Labor unter solchen Verhältnissen gelagert werden, innerhalb von ein bis drei Tagen. Erstaunlicherweise ist das Schimmelrisiko für Bienen in Bienenwolfnestern aber bedeutend geringer, so dass die meisten Bienenwolflarven ihre acht bis zehn Tage dauernde Entwicklung bis zum Kokonspinnen abschließen können.

"Schwimmbadgeruch" gegen Schimmel

Ein Forscherteam um Erhard Strohm von der Universität Regensburg und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz fand nun einen erstaunlichen Mechanismus, den Bienenwölfe im Laufe der Evolution entwickelt haben, um das Verschimmeln der Larvennahrung zu vermeiden. "Die Brutzellen von Bienenwölfen riechen kurz nach der Eiablage auffallend nach 'Schwimmbad'. Dieser Geruch geht vom Ei selbst aus", erklärt Strohm.

Biotests ergaben schließlich, dass die Eier ein Gas abgeben, das Schimmelpilze effektiv abtötet. Die chemische Analyse brachte das überraschende Ergebnis, dass es sich bei dem Gas um Stickstoffmonoxid (NO) handelt. Dieses wird von den Eiern in bedeutenden Mengen hergestellt und nach außen abgegeben, wo es mit dem Luftsauerstoff zu Stickstoffdioxid (NO2) reagiert. Dabei übersteigen die ermittelten Konzentrationen an Stickoxiden in den Brutzellen sowohl die maximal zulässigen Arbeitsplatzkonzentrationen von NO und NO2, als auch die EU-Grenzwerte in Städten um ein Vielfaches.

Da NO und NO2 beide sehr reaktionsfreudig sind und eine stark oxidierende Wirkung haben, ist es nicht verwunderlich, dass sie in hohen Konzentrationen Schimmelpilze abtöten. Wie aber können Bienenwolfeier solche Mengen an NO synthetisieren? Die Forscher vermuten, dass eine entscheidende Voraussetzung für die Evolution dieses Mechanismus war, dass in praktisch allen Lebewesen von Bakterien bis zu Säugern NO eine außerordentlich wichtige Rolle für viele biochemische Prozesse spielt.

Enzym sorgt für hohe Stickstoffmonoxid-Synthese

In niedrigen Dosen fungiert NO aufgrund seiner hohen Diffusions- und Reaktionsfähigkeit als Signalmolekül und ist beispielsweise an der Einstellung des Blutdrucks sowie an Entwicklungsvorgängen beteiligt. In etwas höheren Konzentrationen wird es von vielen Tieren im Immunsystem eingesetzt, um Krankheitserreger abzutöten. Trotz der enormen Mengen an NO, die von Bienenwolfeiern hergestellt werden, nutzen sie die gleichen Enzyme, NO-Synthasen, die auch bei anderen Organismen verwendet werden.

Auch das verantwortliche NO-Synthase Gen der Bienenwölfe weist keine Besonderheiten auf. Allerdings konnten die Forscher eine Modifikation bei der Übersetzung des Gens in das Protein entdecken, die möglicherweise entscheidend für die ungewöhnliche hohe Syntheserate von NO in Bienenwolfeiern ist. "Durch sogenanntes alternatives Splicing fehlt dem Enzym in den Bienenwolfeiern ein Abschnitt, der möglicherweise zur Regulation dient. Dadurch könnte die Aktivität des Enzyms erheblich gesteigert werden", meint Tobias Engl, der zweite Hauptautor der Studie.

Überleben in einer toxischen Umgebung

Der Einsatz reaktiver Gase zur Bekämpfung von Schimmel auf den Nahrungsvorräten verbesserte das Überleben der Nachkommen der Bienenwölfe erheblich und stellt somit eine evolutionäre Schlüsselerfindung dar. Dieser neuartige Abwehrmechanismus gegen Mikroorganismen ist ein erstaunliches Beispiel dafür, wie im Laufe der Evolution bereits vorhandene Prozesse so abgeändert werden, dass vollkommen neuartige Funktionen entstehen. Das Erstaunlichste an der Verteidigungsstrategie der Bienenwolfeier ist, dass diese offensichtlich in der Lage sind, die extrem toxischen Bedingungen, die sie selbst produziert haben, zu überleben. Welche Mechanismen die Eier hierfür einsetzen, ist Gegenstand aktueller Studien. (red, 12.6.2019)