Grafik: DER STANDARD

Wenn Sie diesen Artikel nicht relevant finden: Sie sind damit eher nicht allein. Für mehr als ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher haben die Themen der Medien keine Bedeutung. Das erklärten gut 2000 von ihnen in der weltgrößten jährlichen Studie über den Umgang mit Nachrichten. Weltweit – in 38 demokratischen Ländern von Norwegen bis Südafrika, Österreich bis Australien – vertraut weniger als die Hälfte der Befragten jenen Medien, die sie selbst nutzen.

Um solche Ergebnisse des in der Nacht auf Mittwoch veröffentlichten "Digital News Report" des Reuters Institute in Oxford geht es hier. Sie könnten sich und Ihren Medienkonsum wiedererkennen. Womöglich auch Ihre Politikverdrossenheit – die hat in Österreich beinahe eine Zweidrittelmehrheit. Falls Sie das relevant finden.

Nicht meine Politik(er) "Politiker interessieren sich nicht für die Anliegen der Bevölkerung": So beurteilen 66,4 Prozent der Befragten in Österreich ihre Vertreter. Sie fühlten sich politisch nicht repräsentiert, befunden die Autoren des Österreich-Berichts zum "Digital News Report" von der Uni Salzburg. Gleich 76 Prozent wünschen sich laut Onlineumfrage: "Die Bevölkerung soll bei wichtigen Entscheidungen immer befragt werden." Die Antwort auf eine der politischen Schlüsselfragen liefern sie auch gleich: Für 55,5 Prozent "bedroht Zuwanderung die nationale Kultur".

Volksabstimmungen wünschen sich vor allem Nutzer von Kronehit, krone.at, sn.at, heute.at und Österreich. Ganz besonders von der Politik ignoriert fühlen sich User von puls4.com News, Österreich, Ö2, noen.at und Kronen Zeitung. Vor allem Leserinnen und Leser von Krone und krone.at, von Ganze Woche, oe24.at und Österreich fühlen ihre nationale Kultur von Zuwanderung bedroht.

International spürte der "Digital News Report" Menschen mit Hang zu populistischer Politik nach: Sie nennen Fernsehen häufiger als ihre wichtigste Nachrichtenquelle als der Durchschnitt, sie setzen bei Online-News stärker auf Facebook und vertrauen Nachrichtenmedien weniger.

Wer wurde da befragt? Das Reuters-Institut für Journalismusstudien ließ für seinen achten "Digital News Report" mehr als 75.000 Menschen ab 18 Jahren online befragen; repräsentativ ausgewählt aus dem Adressenpool der Marktforscher von You Gov. Repräsentativ für Menschen mit Onlinezugang, also nicht für die Gesamtbevölkerung.

Rund 2000 Personen pro Land wurden für den Report Ende Jänner, Anfang Februar 2019 befragt, also vor Ibiza-Gate und Regierungsende. Nicht jeder und jede Befragte findet sich in den Ergebnissen wieder: Die Studie erforscht die Nutzung von Nachrichten. Wer im Monat vor der Befragung keine News konsumierte, wird herausgefiltert. Das sind laut Reuters Institute "um drei Prozent".

Überblick: Facts aus dem "Digital News Report" als Video des Reuters Institute.
Reuters Institute


Bitte keine Nachrichten!
Drei Prozent Totalverweigerer fehlen also unter jenen international 32 Prozent, die Nachrichten oft oder manchmal gezielt ausweichen – ein Zehntel mehr als 2018.

Österreich liegt hier mit rund 30 Prozent im internationalen Schnitt: Sechs Prozent der Österreicherinnen und Österreicher meiden Nachrichten "häufig", 24 Prozent "manchmal". Weitere 31 Prozent verweigern News "gelegentlich", 36 Prozent "nie".

Wie viele meiden häufig oder manchmal gezielt Nachrichten: der internationale Vergleich.

Die Österreich-Daten deuten (zart) darauf hin: Je weiter links sich Menschen einordnen, desto eher lassen sie "gelegentlich" News links liegen. Je weiter rechts, desto weniger fühlen sie sich erschöpft von der Fülle der Nachrichten.

42 Prozent der Befragten in Österreich finden die Berichterstattung der Medien zu negativ – international im Mittelfeld. Für knapp 37 Prozent haben die Themen der Medien keine Relevanz. Immerhin 66 Prozent finden die Themen aktuell, für 43 tragen die Nachrichten zum Verständnis bei. 39 Prozent sagen, die Medien kontrollieren die Mächtigen in Politik und Wirtschaft.

Sprunghaft mehr Briten verweigern sich: Elf Prozentpunkte mehr als 2018 auf nun 35 Prozent auf der Brexit-gebeutelten Insel. 71 Prozent meiden News über den Brexit. Nachrichten trüben die Stimmung, erklären dort 58 Prozent ihre News-Flucht, 40 Prozent mit dem Gefühl der Ohnmacht und 34 Prozent mit Zweifeln am Wahrheitsgehalt.

Sinkendes Vertrauen in Nachrichten: 2015 und 2019 im internationalen Vergleich.


Im Frankreich der rebellierenden Gelbwesten knickte das Vertrauen in Nachrichten in einem Jahr um elf Prozent ein, nur unterboten von Südkorea. Österreich liegt mit 39 Prozent etwas unter dem internationalen Schnitt von 42. Vetrauenswürdigste News-Marken in Österreich: ORF-Nachrichten, Die Presse und DER STANDARD, gleich dahinter die News auf Servus TV.

Vertrauen in Nachrichten im Ländervergleich.


Den selbst genutzten Nachrichten(medien) vertrauen im internationalen Schnitt noch 49 Prozent, 33 Prozent den News aus Onlinesuchen und 23 Prozent Nachrichten aus Social Media. In Österreich vertrauen 52,7 Prozent ihren eigenen Nachrichtenquellen; 17,6 Prozent vertrauen "meistens" News, auf die sie in Social Media stoßen.

Ob diese News auf Facebook und Co wahr oder falsch sind, das können die Österreicher unterscheiden. Glauben sie: Sie sind mit 40 Prozent darüber so wenig besorgt wie wenige andere Nationen. In Brasilien sorgen sich nach den jüngsten Präsidentenwahlen 85 Prozent darüber.

International sagen 26 Prozent, sie achten auf vertrauenswürdige Quellen, 24 Prozent verzichten auf weniger verlässliche Quellen, und 29 Prozent sagen, sie verzichteten darauf, "dubiose" News zu teilen.

Überbringer der Nachricht Internationale Höchstwerte bescheinigt (auch) der "Digital News Report" Österreichs Zeitungen als Nachrichtenquelle. 54 Prozent der Befragten nutzten diese in der Vorwoche, für 19 Prozent sind sie Hauptnachrichtenquelle – international liegt dieser Wert bei sechs Prozent (siehe Grafik).

Social Media geben weit weniger Österreicherinnen und Österreicher als Hauptnachrichtenquelle an als im internationalen Schnitt. Bei jüngeren Menschen zwischen 18 und 34 Jahren sind auch in Österreich soziale Medien wichtigste Nachrichtenquelle, bei jenen bis 24 Jahre sehr klar mit gut 36 Prozent.

Hauptnachrichtenquellen für junge User auch in Österreich: Youtube, Facebook, Whatsapp.
Foto: Imago


Youtube vor Facebook und Whatsapp
Welche Social Media nützt die jüngste erhobene Zielgruppe in Österreich nun für Nachrichten? Youtube kommt auf 35 Prozent, Facebook auf 31 und Facebook-Tochter Whatsapp auf 28 Prozent. Bei nur 187 Befragten zwischen 18 und 24 sind die Schwankungsbreiten aber schon hoch. Instagram liegt bei 22 Prozent.

Deutlich mehr Österreicher als 2018 teilen nach eigenen Angaben Nachrichten auf Whatsapp und Facebook Messenger.

International konstatiert der "Digital News Report" mehr Nutzungszeit auf Messengerdiensten und insbesondere Whatsapp und rasant mehr Nachrichtenkonsum über nicht öffentliche Gruppen. "Das bedeutet mehr Kontrolle für User, macht es aber auch schwieriger, Desinformation zu entdecken und ihr entgegenzutreten", schreibt Studienleiter Nic Newman.

Nachrichtenkonsum über Whatsapp im internationalen Vergleich.


Auch in Österreich nützen Parteien, insbesondere die ÖVP, Whatsapp-Gruppen zur direkten Kommunikation.

Spätestens 2019 hat das Smartphone auch in Österreich den Computer als wichtigstes Gerät zur Nutzung digitaler Nachrichten abgelöst. Smartphones und Lauschsprecher wie Amazon Echo befördern international die Nutzung von Podcasts.

Wie viele nutzten ein Smartphone in der letzten Woche für Nachrichtenkonsum? Der Trend seit 2013 in internationalen Märkten.


Mit der Smartphone-Nutzung für Nachrichten wächst die Bedeutung von News-Aggregatoren wie Google News und Apple News.

Nutzung von Nachrichten-Aggregatoren.


Wofür zahlen?
Nur sehr verhalten steigt in Österreich gegenüber 2018 die Bereitschaft, für Online-Nachrichten zu zahlen – gut neun Prozent taten das "im vergangenen Jahr". Höher ist weiterhin die Bereitschaft bei jüngeren Zielgruppen – bis zu 14,4 Prozent.

Bezahlbereitschaft im internationalen Trend von 2013 bis 2019: Im letzten Jahr für Nachrichten online bezahlt haben ...


In Österreich wie international zeigt sich aber: Müssten sich die Menschen für einen oder auch drei Online-Bezahldienste entscheiden, dann liegt auf beide Fragen Videostreaming wie Netflix oder Amazon Prime weit vorn, dahinter matchen sich in Österreich Nachrichtenangebote und Musik-Streaming. International liegen News da klar auf Platz drei.

Für wie viele Nachrichtenangebote haben die Befragten in Deutschland im vorigen Jahr bezahlt (Stand Anfang 2019)?

(Harald Fidler, 12.6.2019)