Die Topographie der Mondrückseite: Blautöne zeigen tiefgelegene Regionen an, insbesondere das gewaltige Südpol-Aitken-Becken. Innerhalb des strichlierten Kreises wurde die Masseanomalie ausgemacht.
Foto: NASA/Goddard Space Flight Center/University of Arizona

So beginnen Science-Fiction-Dramen: US-Forscher berichten, dass sie tief unter einem Mondkrater eine Masseanomalie entdeckt haben. Dort stecke im Mantel des Erdtrabanten eine gewaltige metallreiche Struktur, deren Ursprung noch nicht geklärt ist. Hypothesen liefern die Forscher verschiedene mit, diese beruhen aber – und hier endet das Drama – alle auf ganz natürlichen Faktoren.

Das auf der erdabgewandten Seite des Mondes gelegene Südpol-Aitken-Becken gilt als größter erhalten gebliebener Einschlagskrater des Sonnensystems. Es mag größere gegeben haben – sogar auf der Erde –, doch wurden die Spuren dieser hypothetischen Krater längst von Prozessen wie Erosion und Tektonik verwischt. Das ovale Südpol-Aitken-Becken aber ist vier Milliarden Jahre nach seiner Entstehung immer noch da und beeindruckt mit seinen Dimensionen: An der breitesten Stelle misst es über 2.000 Kilometer, dazu ist es etwa zwölf Kilometer tief.

Im Mantel des Mondes

Noch wesentlich tiefer steckt etwas, dessen Auswirkungen Forscher der Baylor University nun gemessen haben. Sie analysierten mit den Sonden der Mission Gravity Recovery and Interior Laboratory (GRAIL) und anderen Raumfahrzeugen der NASA das Gravitationsfeld des Mondes und stießen dabei auf eine Anomalie. Durch die Kombination mit topographischen Daten des Lunar Reconaissance Orbiter konnten sie den Ursprung im Südpol-Aitken-Becken ausmachen.

Oder genauer gesagt: darunter. Hunderte Kilometer unterhalb der Oberfläche, tief im Mantel des Mondes, befinde sich eine gewaltige metallreiche Masse. Studienerstautor Peter B. James vergleicht es damit, als habe jemand einen Metallstapel mit der fünffachen Größe der hawaiianischen Hauptinsel im Boden vergraben.

Überreste eines Asteroiden

Der Gedanke liegt natürlich nahe, dass es sich dabei um die Reste des Himmelskörpers handelt, der hier vor vier Milliarden Jahren eingeschlagen ist, berichten die Forscher im Fachmagazin "Geophysical Research Letters". Bleibt nur die Frage, warum diese Masse nicht in der Zwischenzeit bis in den Mondkern abgesunken ist.

Dafür braucht es die richtige Konstellation von Bedingungen, bilanziert James das Ergebnis einer Reihe von Computersimulationen, in denen die Forscher große Asteroiden auf den Mond stürzen ließen. Es kann der Fall eintreten, dass sich der Eisen-Nickel-Kern eines solchen Asteroiden beim Einschlag auflöst und sein Material weiträumig genug verteilt, dass es im Mantel gleichsam in einem Schwebezustand verbleibt – nicht als kompakte Einheit, aber als immer noch messbare Ansammlung.

Andere Hypothese

Eine alternative Erklärung für die Masseanomalie haben die Forscher auch anzubieten: Es könnte sich auch um eine Konzentration dichter Oxide, also Sauerstoffverbindungen, handeln, die noch aus der letzten Phase stammt, ehe der Magma-Ozean des Mondes erstarrte.

Immerhin blickt der heute so ruhige Mond auf eine überaus turbulente Anfangszeit zurück: Er soll ja nach der heute gängigsten astronomischen Theorie das Erbe einer Kollision zwischen der Ur-Erde und einem marsgroßen Planeten sein, die vor etwa 4,5 Milliarden Jahren stattfand. Der Mond ballte sich demnach aus den Trümmern, die dabei ins All geschleudert wurden, zusammen, und war aufgrund der ungeheuren Energiemengen, die dabei im Spiel waren, eine Zeitlang komplett von flüssigem Magma bedeckt. Erst mit der einsetzenden Abkühlung bildete sich eine Kruste über dem Mantel, möglicherweise mitsamt der heute noch vorhandenen Anomalie. (jdo, 12. 6. 2019)