In der LIT Factory, einer Pilotanlage für Kunststoffteile, wird zu den Produktionsabläufen zukünftiger Fabriken geforscht.

Foto: Thomas Bergmayr

JKU-Rektor Meinhard Lukas (zweiter von links) erklärt den Politikern, um was es beim Open Innovation Center geht (ganz links Thomas Stelzer, Landeshauptmann von Oberösterreich, zweiter von rechts Hans-Peter Weiss, Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft, ganz rechts Klaus Luger, Bürgermeister von Linz).

Foto: Thomas Bergmayr

Wenn man bedenkt, wie viel Zeit der Ausbau universitärer Einrichtungen bisweilen in Anspruch nimmt, ging es bei diesem speziellen Projekt am Campus der Linzer Johannes-Kepler-Universität (JKU) erstaunlich schnell: Von der ersten Idee im Frühjahr 2017 bis zur Eröffnung des Linz Institute of Technology (LIT) Open Innovation Center (OIC) am 5. Juni 2019 vergingen kaum mehr als zwei Jahre – die Bauzeit selbst betrug dabei überhaupt nur 435 Tage.

Das Ergebnis ist ein neuartiges Forschungs- und Entwicklungszentrum mit einer Pilotfabrik als Kernstück: der LIT Factory. Dort wird es zunächst um prozesstechnische Innovationen bei der Kunststoffproduktion und der Digitalisierung gehen: In der "smarten" Pilotanlage sollen Verfahrenstechniken von der ersten Produktidee über die eigentliche Herstellung bis zum Recycling von faserverstärkten Leichtbaukunststoffen erforscht werden. Beteiligt sind an dieser offenen Infrastrukturplattform insgesamt 25 Unternehmen.

"Die LIT Factory hebt sich durch ihren Fokus auf Kunststoffe und insbesondere auf Leichtbau, Digitalisierung und End-to-End-Lösungen deutlich von anderen Pilotfabriken ab", sagt Stefan Engleder, Sprecher des Industriebeirats der LIT Factory und Geschäftsführer der Firma Engel. Die Zusammenführung unterschiedlicher Disziplinen ergibt dabei demnach zahlreiche Synergien.

Maßgeschneiderte Bauteile

Die Pilotanlage besteht aus drei Hallen mit einer Gesamtnutzfläche von annähernd 1500 Quadratmetern. Hier wird an drei Schwerpunkten gearbeitet: Extrusion ("Smart Extrusion"), Spritzguss ("Smart Injection") und Wiederverwertung ("Smart Recycling").

In der Smart-Extrusion-Halle entstehen in einem kontinuierlichen Prozess aus den Rohmaterialien faserverstärkte Tapes, die je nach gewünschtem Produkt auf die jeweils richtige Länge zugeschnitten werden. Hier wird vor allem an der Optimierung des Fertigungsprozesses hinsichtlich der Energieeffizienz und Qualität geforscht. In der Smart-Injection-Halle fertigen mehrere Roboter aus den Tapes carbonfaserverstärkte thermoplastische Leichtbauteile, wie sie heute etwa auch in der Automobil- und Flugzeugindustrie eingesetzt werden. In dieser Fertigungsanlage sollen die Grundlagen für die Herstellung von endlosfaserverstärkten Composite-Bauteilen mit maßgeschneiderten Eigenschaften entwickelt werden. In der Smart-Recycling-Halle geht es darum, Rohstoffe aus dem Mahlgut von Kunststoffprodukten rückzugewinnen.

Paradebeispiel für Industrie 4.0

Laut einer Studie aus dem Vorjahr sind Österreichs kleinere und mittlere Betriebe auf "smarte Automation" schlecht bis gar nicht vorbereitet sind. Demgegenüber soll die LIT Factory als Paradebeispiel für den "Industrie-4.0"-Standard gelten: Hier ist die Digitalisierung oberstes Organisationsprinzip, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Im Rahmen eines "Internets der Dinge" sind Sensoren, Anlagenkomponenten und Menschen miteinander vernetzt. Diese steuern unter anderem eine Vielzahl von Prozess- und Sensordaten bei, die etwa virtuelle Abbilder der Produkte und Herstellungsverfahren liefern. "Mit der horizontalen und vertikalen Vernetzung von Anlagen gewinnt die Integration von Technologien an Bedeutung, die die Simulation der Realität sowie das Erfahrungswissen von Menschen um zusätzlich aus Daten generierte Informationen erweitert", sagt Georg Steinbichler, Institutsvorstand für Polymer-Spritzgießtechnik und Prozessautomatisierung sowie Sprecher der LIT Factory. "Daraus lässt sich ein interessantes Potenzial für Innovationen, Produktivitätssteigerung und Qualitätssicherung ableiten."

Umfassend vernetzt

Worum es jedoch beim LIT Open Innovation Center in Zukunft vor allem gehen wird, lässt sich wohl mit dem Wort "Kooperation" zusammenfassen, wie JKU-Rektor Meinhard Lukas beim Eröffnungsfestakt in der mittleren Maschinenhalle der LIT Factory vor Vertretern aus Politik und Wirtschaft betonte: Es werde um "interdisziplinäre Forschung gehen, bei der sich universitäre Forschung und Ideen aus Industrie und Wirtschaft gegenseitig beflügeln."

Tatsächlich werden drei Viertel der 8000 Quadratmeter großen Fläche des OIC als gemeinschaftliche Bürofläche genutzt. Hier soll künftig im Rahmen eines Open Think-tanks in einem kollaborativen Umfeld mit inter- und transdisziplinärem Anspruch an technologischen Neuerungen gearbeitet werden, und zwar sowohl im Bereich der Grundlagen- als auch der anwendungsorientierten Forschung. Die JKU will sich damit als wegweisende Drehscheibe für die Industrie 4.0 etablieren, als Basis für eine Forschung ohne Fachgrenzen, und letztlich ein Modell dafür zeigen, wie die Fabriken der nahen Zukunft aussehen mögen. (Thomas Bergmayr, 14.6.2019)