Audi setzt bei R8 auf Mittelmotorkonzept, und dass die V10-Maschine im Zuge des Facelifts noch einmal erstarkte, kam nicht ganz unerwartet.

Foto: Guido Gluschitsch
Grafik: der Standard

Wo immer der Wagen auftaucht, werden Augen gerollt, Münder aufgerissen, Handys gezückt.

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Der Startknopf befindet sich beim R8 am Lenkrad.

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Der R8 war der Primus am Castelmonte.

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Dieses Heck lässt eigentlich keine Fragen mehr offen.

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Rennhistorie ist das eine. Bernd Rosemeyer, Tazio Nuvolari und Konsorten. Doch dass Audi es 2006 geschafft hat, mit dem R8 vom Fleck weg einen Volltreffer in der Supersportwagenliga zu landen, das war schon überraschend. Für Kenner vielleicht nicht gar so sehr – geholfen hat gewiss, dass man sich wenige Jahre zuvor, 1998, die marode Italoextremgerätschmiede Lamborghini einverleibt hatte, die wiederum unterm Dach von Audi endlich zu Kontinuität gefunden hat.

Schwesternmodell

Jetzt ist es so, dass vom R8 – das aktuelle Lambo-Schwestermodell ist der Huracán – seit 2015 bereits eine zweite Generation im Rennen ist. Die durfte unlängst die Segnungen des Jungbrunnens empfangen, sprich: Facelift. Da der zum Supertest benötigte Roadster, der beim R8 Spyder heißt, in Österreich nicht verfügbar war, half uns kurzerhand Claudia Schneider, Sprecherin der Audi Sport GmbH, aus (was das Ingolstädter Kennzeichen erklärt). Mit einem Performance quattro. Der Zusatz weist auf die kraftvollste Version hin, die mit 620 statt 570 PS. Und dies, verehrte Claudia, sind unsere Impressionen vom Friaul-Supertest in Kurzform.

Angesichts des Umstandes, dass sich das neue 911er-Cabrio haarscharf nicht ausgegangen ist für den Einsatz im Collio, war der Flunder-Audi ganz klar der Supersportwagerepräsentant im Aufgebot. Der R8 liegt wie das sprichwörtliche Brett, der V10 ist noch einmal, bevor uns die Elektroautowelle überrollt, ein Höhepunkt im klassischen Verbrenner-Sportaggregatebau, und obendrein: Sauger! Hochleistung mit voller Brust. Nicht das heute übliche Turbo- oder Biturbo-Zeugs. 5,2 Liter Hubraum, gereicht mit einem Orchesterklang, der kein Geheimnis daraus macht. Fahrkapitel? Einübung in den Konturenflug.

Designleckerli

Dabei sieht der hyperpotente Neckarsulmer nicht nur außen prachtvoll aus, er ist auch innen eine Schmuckschatulle, ein Designleckerli. Manchen mag das zu viel des Guten sein, die bei einem Supersportwagen ein spartanisches Interieur erwarten, gelte es doch, alle Sinne geschärft für den Haupteinsatzzweck und die optimale Konzentration auf das Verkehrsgeschehen zu lassen. Doch auch mit einem R8 sind Staus nicht einfach von einer gütigen Vorsehung aus dem Alltag entfernt, und da kann man dann den Blick schweifen und schwelgen lassen. In diesem Punkt jedenfalls war der R8 philosophisch am nächsten am AMG-E-Cabrio dran – der Bentley spielt ohnehin in einer ganz eigenen Liga.

Kein Schnickischnacki gibt's bei den Türen. Schmetterling oder Flügel? Nix da. Konventionell angeschlagen, lassen sich die beiden ganz normal öffnen, die Griffe sucht man nur beim ersten Mal. Und trotzdem: Auf der Straße, fahrend wie stehend, ist der R8 ein wahres Volksfest. Wo immer der Wagen auftaucht, werden Augen gerollt, Münder aufgerissen, Handys gezückt.

Begegnungszone

Beispielsweise in der 100er-Zone auf der Autobahn kurz vor Graz – plötzlich prescht ein Opel Vivaro rechts vor, dann links und verharrt jeweils auf Audi-Höhe: Damit die Beifahrerin, eine Dame mit Hautkrankheit – oh, Entschuldigung, genauer hinsehen: mit großflächiger Tätowierung – bei offenem Fenster Selfies mit R8 machen kann. Oder auf der Süd bei Wr. Neustadt, der Bursche in diesem Audi TT mit Riesenheckflügel. Er lässt das Fenster runter, ersucht um Soundprobe mit Kickdown. Bitte sehr. Gern geschehen. Und dann der Sebastian Scheibl von Porsche Austria, auch er hat unbemerkt nahe Graz ein Foto geschossen. Na warte.

Unser Traditionswirt Marco "Mario" im Collio war ganz aus dem Häuschen, da glitzerte beim Probesitzen doch tatsächlich eine Zähre im Augenwinkel. Schlüssel her, der bleibt gleich bei mir ... Beim Treffen mit Veit Heinichen in Triest ein ähnliches Bild. Klar, Sir Bentley und auch noch Seine Exzellenz, das 8er-Cabrio, heischen kaum minder Beachtung, aber der R8: was für ein bunter Hund.

Zurück nach Wien fahren wir, wie auf dem kaltverregneten Weg runter ins Friaul, mit geschlossenem Textilverdeck, obwohl der Sommer endlich da ist. Als hätte der nur auf den R8 gewartet, um leichtsinnigen Insassen das Haupt zu versengen. Mit kühlem Kopf finden sich die Minuspunkte: Der Kofferraum ist gar knapp bemessen. Was das kostet. Und wie hoch die Trauben manchmal hängen. (Andreas Stockinger, 17.6.2019)