Einsamer Protest: das Mädchen mit dem Pseudonym Howey Ou.

Foto: Twitter

Die 16-jährige Greta Thunberg mag zwar unscheinbar wirken. Doch in 131 Ländern der Welt hat sie nach ihren Angaben massenweise Schüler als Nachahmer gefunden, die wie sie zum Klimastreik aufrufen. Das gilt nun auch für den letzten großen weißen Fleck auf der Landkarte der Jugendrebellion: In der riesigen Volksrepublik China steckt seit 14 Tagen eine grüne Fahne.

Täglich pilgert seit dem 26. Mai eine chinesische Schülerin vor das Gebäude der Volksregierung von Guilin in der südchinesischen Provinz Guangxi. Sie bringt handgeschriebene Plakate mit, auf denen sie zum Schulstreik für den Schutz des Klimas aufruft. Wen sie damit konkret anspricht, ist nicht auszumachen. Auf den Fotos, die sie in alle Welt twittert, ist außer ihr niemand zu sehen. Auch ihren chinesischen Namen gibt sie nicht an. Sie verwendet das Pseudonym Howey Ou und verrät nur, dass sie ebenfalls 16 Jahre alt ist und ihr Idol Greta über ihre Aktionen informiert hat. Die twitterte prompt: "Howey Ou ist eine wahre Heldin. Wir stehen alle hinter dir."

Start am 26. Mai

Viel weiß man auch in China nicht über Howey Ou. Am 26. Mai beginnen ihre oft in radebrechendem Englisch verfassten Tweets: "Ich will jeden Tag vor dem Gebäude der Volksregierung streiken, bis die chinesische Regierung ihre Klimaversprechen wahr macht und aktuell handelt." Wo sie wohnt, wie sie wirklich heißt, verrät sie nicht. Die Nachahmerin von Greta im 1,4-Milliarden-Volk der Chinesen trat bisher nur über ihr Twitterkonto und in einem laut der deutschen Webseite t-online.de über Internet schriftlich geführten Interview in Erscheinung. Howey bekannte, dass sie sich in das innerhalb Chinas verbotene Twitter über einen VPN-Kanal als Umgehungssoftware einloggt. Die staatliche Zensur ist dagegen machtlos.

Auf ihrer Twitter-Startseite schreibt sie, sie wolle "keine Interviews geben, die direkt oder indirekt große Mengen an CO2-Emissionen verursachen könnten," obwohl ihr Vorbild Greta ihren Erfolg vor allem einer überwältigenden medialen Präsenz verdankt. Widersprüchlich ist auch, dass die von ihr versendeten Fotos vom Vater aufgenommen wurden, obwohl sie sagt, dass ihre Eltern sie mit aller Macht von ihrem Protest abhalten wollten.

In einem Tweet schreibt sie, dass sie 21 Kilometer vom Regierungsgebäude entfernt in Guilin wohnt. Sie halte sich dort mit ihren Protestplakaten aber immer nur kurz auf, offenbar um nicht zu viel Aufsehen zu erregen. Denn bei Aufrufen zum Schulstreik versteht das autoritär regierte Land keinen Spaß. Pauken und Büffeln die höchste Pflicht chinesischer Schüler. Vergangene Woche mussten in allen Städten Bau- und Straßenarbeiten für drei Tage eingestellt werden, durften Autofahrer bei Androhung saftiger Geldstrafen nicht einmal hupen, um die Rekordzahl von 10,3 Millionen chinesischen Abiturienten im Examensstress nicht zu stören. Die Volksrepublik versank im alljährlichen Prüfungsmarathon einer auf konfuzianische Tradition zurückgehenden, nationalen Aufnahmeprüfung (Gaokao), die über die Berechtigung zum Hochschulstudium entscheidet. Zwölf Jahre hatten sich die Schüler auf diese Monsterprüfung vorbereitet.

Kaum Medienecho

Schulstreiks passen da nicht ins Bild. Pekings bekannte Umweltaktivistin Wang Yongchen, Gründerin der grünen Bürgerinitiative Lü Jiayuan, sagt, dass es bisher kaum Informationen über das Phänomen der Schülerstreiks im Ausland gebe. Für junge Chinesen seien andere Probleme dringlicher als der Klimawandel. Dabei komme das Land am Problem selbst nicht vorbei, seit China in absoluten Zahlen zum größten Emittenten für Treibhausgase wurde und die USA überholt hat.

Unter mehr als einem Dutzend auf Umweltfragen spezialisierten Chatgruppen im Netz stieß Wang nur bei einer auf Debatten über die Aktionen der Schülerin. Viele waren zwar der Ansicht, dass sie mutig sei und ein großes Risiko eingeht. Aber andere fragten, ob sie benutzt würde, alles nur "Show" ist. Wang erklärt das mit dem großen Kulturunterschied zwischen China und dem Ausland.

Auch die berühmte Greta Thunberg macht keine Schlagzeilen in China. Einige kritische Mikroblogs nannten sie spitz eine schwedische Zhang Tiesheng, oder "Heldin des Weißen Blattes". Sie spielten hier auf einen jungen radikalisierten Studenten an, der während Maos Kulturrevolution Furore und damit auch Karriere machte, als er bei einer Prüfung ein leeres Blatt abgab. Er behauptete, für Mao Revolution zu machen sei viel wichtiger, als zu lernen, und verleitete viele andere Studenten, es ihm gleichzutun. (Johnny Erling, 14.6.2019)