Während des Sommerurlaubs sollten sich reisende Anleger mehr um das leibliche Wohl als um das Portfolio kümmern.

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Entspannen, abschalten und den Urlaub genießen – sowie am besten gar nicht erst am Strand nach den neuesten Finanznachrichten suchen. Diese Empfehlung gibt Christian Nemeth, Vorstand der Zürcher Kantonalbank (ZKB) in Österreich, reisenden Anlegern mit auf ihren Weg. Warum? "Wenn man herausgerissen ist aus dem gewohnten Umfeld wie im Urlaub, wird man auch keine guten Entscheidungen treffen", sagt er und fügt hinzu: "Man verpasst nichts, wenn man einmal eine Zeit abschaltet."

Grundsätzlich gelten Emotionen wie Angst, die einem zu impulsiven Handlungen verleiten, als natürlicher Feind der Anleger – dem man sich allerdings nicht zur Gänze entziehen kann. Als ersten Schritt sollten sich Investoren dessen bewusst sein, wenn sie von Emotionen getrieben werden – und dann nicht vorschnell reagieren, sondern zuerst eine Nacht darüber schlafen oder mit jemand anderem über das Thema sprechen. "Es gibt verschiedene Methoden, sich selbst zu disziplinieren", sagt Nemeth. "Das kann dazu beitragen, den einen oder anderen Fehler zu begehen."

Unüberlegte Verkäufe

Dazu zählt der ZKB-Vorstand etwa, sich aus Angst zu unüberlegten Verkäufen verleiten zu lassen. Wer etwa beim Ausverkauf der Aktienmärkte zu Ende des Vorjahres seine Papiere auf den Markt geworfen hat, versäumte die Kursgewinne seit Jahresbeginn. Als noch plakativeres Beispiel zieht Nemeth die Finanzkrise heran: Nach der Lehman-Pleite befanden sich die Börsen ab September 2008 wochenlang im freien Fall, setzten aber ab März 2009 zum nächsten langfristigen Aufschwung an – der bis heute andauert.

Wer während der Tumulte die "Nerven weggeschmissen" und verkauft hatte, versäumte meist auch die Gegenbewegung nach oben. Dabei gilt für Nemeth folgende Daumenregel: "Je größer die Schmerzen, desto länger dauert es bis zum Wiedereinstieg." Soll heißen: Je größer die Verluste eines Anlegers, desto später wagt er sich an den Aktienmarkt zurück.

Für Nachkäufe nutzen

Dabei wäre es eigentlich sogar günstig, solch starke Kursrückgänge – wenn möglich – zum Aufstocken des Portfolios zu nutzen. Also wenn die Bewertungen im historischen Vergleich schon sehr günstig seien. Das absolute Kurstief erwische man ohnedies kaum, daher reiche es, nahe eines langfristigen Tiefpunkts zu kaufen.

Und wenn das Depot eines Anlegers doch im Urlaub richtig durchgerüttelt wird? Dann sollte ein Portfolio mit langfristiger Strategie des Vermögensaufbaus ohnedies so ausgerichtet sein, dass man auch unerwartete Extremszenarien wie am 11. September 2001 langfristig übertauchen kann. Dazu sollten sich Anleger selbst folgende Fragen stellen: "Was für ein Typ Anleger bin ich, und mit wie hohen Verlusten kann ich noch leben?" Sprich, welche Renditen man als Anleger erwartet und welches Risiko man bereit ist, dafür einzugehen.

Breit streuen hilft

Anderen Marktthemen, derzeit etwa der Brexit, der Handelsstreit zwischen den USA oder die Debatte um das italienische Defizit, könnten Anleger mit einem breit über Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen gestreuten Portfolio entgegentreten. "Diese Risiken kann man durch Diversifizierung in den Griff bekommen", betont Nemeth. Mittelfristig könne man zudem über die Gewichtung der Assetklassen versuchen, etwas höheren Ertrag zu erzielen.

Und wie sieht Nemeth die nähere Zukunft? "Derzeit keine übertriebenen Risiken auf sich nehmen, aber auch nicht aus dem Markt gehen", lautet sein Rat. (Alexander Hahn, 16.6.2019)