In einem Interview, das Greta Thunberg unlängst in Wien gab, meinte sie auf die Frage, wo sie sich in Zukunft sehe, "dort, wo ich gebraucht werde". Eine kluge Antwort. Wir sollten die junge Frau beim Wort nehmen und ihr vermitteln, dass wir sie brauchen. Seit ich Interviews mit Greta Thunberg lese, weiß ich, was eine Keeling-Kurve, ein galoppierender Treibhauseffekt und eine Heißzeit sind. Es ist unverzeihlich, dass ich das nicht schon vorher wusste, aber manches Mal benötigt es eben Anstöße. Greta Thunberg ist ein solcher Anstoß. Eine Heißzeit hat nichts damit zu tun, wie wir uns bei Temperaturen um 35 Grad fühlen. Sie bezeichnet vielmehr einen unwiederbringlichen Klimawandel. Die Temperaturen in Wien geben uns derzeit eine Vorahnung davon, wie es einmal sein wird, wenn es so weitergeht.

Greta Thunberg bei der Fridays for Future Demonstration in Wien.
Foto: AP/Ronald Zak

Wien wird smart, also bauen wir smart!

Wien hat mit der Smart City-Rahmenstrategie eine gute Initiative gesetzt. Sie soll bei einem Zeithorizont bis 2050, also relativ lange, unter anderem auch für ein gutes Klima in der Stadt sorgen. In Bezug auf die Stadtplanung bedeutet dies vor allem den Einsatz alternativer Mobilitäten, Energieeffizienz beim Bauen und Grün - viel Grün, in Parks, auf Dächern und an Fassaden. Und das wird schwierig werden. Jeder, der in der Baubranche involviert ist, weiß, dass mit derzeitigen hohen Preisen kaum das Minimum an Raumqualität herzustellen ist.

Woher also das Geld für das viele Grün nehmen? Da gibt es gerade eine gute Gelegenheit. Noch bis zum 23. Juni 2019 können Sie sich in Wien für ein kostenloses Grünfassaden-Element namens "Berta" (die Rettung der Welt ist sichtlich weiblich) bewerben. Ein Modulsystem aus Trog, Rankhilfe und Begrünung, gefördert von der Stadt Wien. Auch das ist eine gute Idee! Sie können das auch als Mieterin und Mieter tun, müssen also nicht einmal Haus- und Fassadenbesitzer sein. 50 grüne Häuser, so der Slogan des Projektes. 2011 wurden meines Wissens das letzte Mal die Gebäude Wiens gezählt, da waren es laut Statistik Wien 164.745. Es dürften inzwischen einige mehr sein. Da werden 50 Hausbegrünungen nicht reichen. 

Neue Bäume braucht die Stadt

Ich mag Wien, selbst wenn es so heiß ist. Die Stadt bekommt nun auch mehr Bäume. Das ist schön, aber reicht es aus, um das Stadtklima zu verbessern? Acht Millionen Euro möchte die Stadt dafür aufwenden. Das klingt gut. Nun wissen wir aber nicht, was ein Baum nach Abzug aller Einpflanz- und Erhaltungsarbeiten kostet, ganz zu schweigen von den langen, moderierten Debatten mit Autobesitzern, die um ihre Parkplätze kämpfen werden. In Wien stehen derzeit 480.000 Bäume, also dreimal so viel wie Häuser. Auch das hört sich super an. Es sind aber tatsächlich nur 88.000 Straßenbäume, laut Statistik Wien. Bei einem Straßennetz von 2.800 Kilometer Länge sind es dann auch nur mehr 30 Bäume pro Kilometer. Da gehören auch die Stadtautobahnen dazu. Aber das sind auch nicht grad die besten Erfindungen und Bäume können dort auch nicht schaden, also würde ich sie in der Rechnung drin lassen.

Bobobäume für Boboräume?

Die Meldung, wo die neuen Bäume gepflanzt werden sollen, machte mich nun nicht gerade glücklich. Im Volkertviertel etwa - also gleich neben dem Prater - oder am Yppenplatz - haben da Bäume noch Platz bei den vielen Cafes? Die Frage ist auch, welche Bäume gepflanzt werden. Es gibt in Wien Bäume, die seit über zehn Jahren kein bisschen gewachsen sind. Und dies nicht, weil die Bedingungen für die armen Dinger in der Großstadt so hart wären. Es war eine Strategie, in der nicht sehr breiten Gasse Bäume zu pflanzen, die den Bewohnenden kein Licht wegnehmen. Ist ja irgendwie verständlich, aber dann sollte man es ganz bleiben lassen.

Dieser Baum im 4. Wiener Bezirk wird nie Schatten spenden.
Foto: Sabine Pollak

Gestern Bausünde, heute luftige Straßenkühlung

Zum Glück gibt es Wind in Wien. Sofern Sie in einer windbegünstigten Lage wohnen, profitieren Sie von einem angenehmen Durchzug, meist von Westen bis Nordwesten. Diejenigen, die quer dazu wohnen, haben Pech gehabt. Was die Stadtplanung dabei tun kann? Über die so genannten Sünden der Nachkriegsjahre nachdenken. Gehen Sie an einem heißen Tag an einem Wohnbau aus den 1950er oder 1960er Jahren vorbei. Damals ließ man – im guten Glauben an den Individualverkehr – oft nahezu das gesamte Erdgeschoss frei, meistens für Autos, die über eine Einfahrt im Hof zu stehen kamen. Autos wollen wir keine mehr in den Erdgeschossen der Städte und den Individualverkehr sowieso weitgehend verbannen. Aber das luftige, schattige Erdgeschoss ist jetzt, bei solchen Bedingungen, eine Wohltat. Es bringt Durchzug auch in jenen Straßen, die vom Wind weniger begünstigt sind. Und manches Mal blickt man zudem in dicht begrünte Höfe, was ja auch kein Nachteil ist.

Professionelle Graffitis und bewachsene Wände, ein Markenzeichen in Bogota.
Foto: Sabine Pollak

Zur Not einfach tackern

Das Problem ist bei uns eher die Temperaturschwankung. Im Winter ist ein offenes Erdgeschoss unangenehm, Frühling gibt es ohnehin keinen mehr, im Sommer ist es ein Segen. Vielleicht wären flexible Tore, erweiterte Vorhänge und mobile Schichten aller Art eine Möglichkeit. Oft stellt sich diese Frage aber ohnehin nicht, weil bei Neubauten jeder Quadratzentimeter als verwertbare Fläche genutzt werden muss. Und flexible Raumabschlüsse sind meist nicht gerade günstig. Außer, man macht es etwas einfacher, roher und rauer als sonst. Ein Industrievorhang tut es vielleicht auch, oder ein Rollschiebetor, das sonst im Gewerbe eingesetzt wird. Hitze macht etwas träge, verleitet aber auch zu mehr laissez-faire. Warum nicht auch im Bauen? Heiße Länder wie etwa in Südamerika zeigen, wie man mit einfachsten Mitteln Wandbegrünungen herstellt, mit recycelten Steinsäcken und einem Tacker, mehr braucht man dazu nicht. Wien hat es da im Vergleich zu anderen Städten noch gut. In Oberösterreich sind etwa begrünte Fassaden insofern verboten, als sie ein Ausschließungsgrund für die Wohnbauförderung sind. Tja, dumm gelaufen, Oberösterreich.

Improvisierte Wandbegrünung in Bogota: so geht es auch!
Foto: Sabine Pollak

Klimawandel macht erfinderisch

Die Wiener Klimaziele sind toll, nun braucht es ein paar gute, möglichst einfache Ideen, bei denen alle mitmachen können. Klimawandel macht stutzig (was tun?), aber auch erfinderisch (let's just do it). Also: Machen wir 50.000 grüne Häuser - sei es mit "Berta" oder getackert, mit leer geräumten Erdgeschossen und urbanen Vorhängen und, ach ja: Liebe Greta, werde Stadtplanerin und komm zu uns! (Sabine Pollak, 17.6.2019)