Schon im Jahr 2015 bereicherte Hans-Josef "Hajo" Eichwald den Bundestag. Ab Freitag, 22.30 Uhr kämpft er sich im ZDF wieder sechs Folgen lang durch den Berliner Politbetrieb.

Hajo Eichwald muss sich in der neuen Staffel mit einem Dopingskandal und einem Youtuber herumschlagen. Seine Büromitarbeiter machen ihm auch Probleme.
Foto: ZDF / Maor Weisburd

STANDARD: Ihr Serienabgeordneter Hajo Eichwald ist intrigant und stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Mögen Sie ihn eigentlich?

Schütz: Ja, schon. Er ist natürlich ein furchtbarer Opportunist, aber gleichzeitig wie eine Comicfigur, die über den Abgrund geht. Solange er nicht runterschaut, stürzt er auch nicht ab. Und irgendwie sind seine menschlichen Schwächen ja auch nachvollziehbar.

STANDARD: Das nächste Interview ist für ihn immer das wichtigste.

Schütz: Immerhin: Lutz van der Horst und der Heute-Show weicht er aus. Das finde ich sogar sympathisch, dass er da nicht mitmacht und auch die Social-Media-Kanäle nicht bedient – wenngleich Hajo jetzt zum Serienbeginn zu twittern beginnt. Es ist ja enorm, welches Entertainmentkönnen Politikern heute abverlangt wird. Eigentlich muss jeder permanent seine eigene Popgeschichte erfinden, um im Gespräch zu bleiben. Hajos Fraktionskollege macht das recht erfolgreich.

STANDARD: Sehr positiv kommt der Politikbetrieb ja nicht rüber. Haben Sie nicht Sorge, zum Abgeordnetenbashing beizutragen?

Schütz: Ach, wissen Sie, so großartig wie der Strache können wir nicht werden, das können wir nicht toppen. Wir machen Satire. Der ehemalige Umweltminister Sigmar Gabriel hat jemanden im Eisbärenkostüm engagiert, um an der Ice-Bucket-Challenge teilzunehmen. Das war real, da brauchen wir uns bei der Fiktion nicht zurückhalten.

STANDARD: Haben Sie im Bundestag gedreht?

Schütz: Nein, originellerweise im Krematorium im Südwesten Berlins. Es wurde vom Architekten Axel Schultes erbaut, von ihm stammen auch einige Gebäude des Bundestages, die Schauplätze sehen sich sehr ähnlich. Ich fand es nicht nötig, im Bundestag zu drehen, Politiker haben schließlich was anderes zu tun, als Statisten und Kulissen für Serien zu bieten.

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STANDARD: Haben Sie sich speziell auf die Rolle vorbereitet?

Schütz: Man muss kein Mörder sein, um einen Mörder zu spielen. Aber ich habe vorher schon einige Bundestagsabgeordnete getroffen, die mir dann von 16-Stunden-Tagen, langweiligen Sitzungen und dem ständigen Druck durch Lobbyisten erzählt haben. Und auch davon, wie sehr sich das Klima verändert hat, seit die AfD im Haus ist. Das wäre echt ein Thema für eine dritte Staffel. Ich verfolge auch die Politik in Österreich. Noch ist die AfD nicht so stark wie die FPÖ, aber da weiß man, was in einigen Jahren auf Deutschland zukommen könnte.

STANDARD: Die Serie ist recht aktuell. Hajo wird von einem jungen Youtuber aufs Korn genommen.

Schütz: Das war schon heftig, wie Rezo die CDU im realen Leben blamiert hat. Er hat doch nur – ganz brav und bieder, nicht einmal pöbelnd – einige Missstände aufgezählt. Dass das so eine Panik ausgelöst hat, fand ich erstaunlich. Augenzwinkernd könnte man sagen, dass eigentlich ich Panik unter Politikern auslöse.

STANDARD: Wie das?

Schütz: Ich habe Oskar Lafontaine 1999 am Abend im Theater gesehen, am nächsten Tag trat er als SPD-Chef und Finanzminister zurück. Vor kurzem flog ich mit Andrea Nahles von Brüssel nach Berlin. Am Tag danach erklärte sie ihren Rücktritt. Jetzt arbeite ich an einem Treffen mit Donald Trump.

STANDARD: Wäre die Politik etwas für Sie?

Schütz: Nein, das wäre mir zu anstrengend und zu frustrierend. Dabei habe ich die Thematik praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Meine Mutter war Kommunalpolitikerin in Leverkusen. Im Wahlkampf hingen Riesenplakate mit ihrem Gesicht in der ganzen Stadt – schrecklich für einen pubertierenden 16-Jährigen. Aber ernsthaft: Ich habe größten Respekt vor Politikern, die unseren Alltag verbessern wollen.

STANDARD: Hajo Eichwald steht allerdings für den alten weißen Mann, dessen Zeit ja vorbei sein soll.

Schütz: Richtig. Wenn immer nur die alten Konzepte rausgepackt und Sündenböcke gesucht werden, kommen wir nicht weiter. Kooperation, feministische Analyse, inhaltlicher Diskurs – das kann mehr in die Politik, und Leute, die für ihre Ideen brennen, wie zum Beispiel Hans-Christian Ströbele. Aber wir alle dürfen Politik nicht den Berufspolitikern überlassen. Gegen menschenverachtende Aussagen der AfD muss jeder den Mund aufmachen. (Birgit Baumann, 14.6.2019)