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MacKenzie Bezos will nach der Scheidung von Amazon-Gründer Jeff Bezos einen guten Teil ihres 37 Milliarden schweren Vermögens für wohltätige Zwecke spenden.

Foto: Reuters

"Zahl Steuern, Jeff!" Nur drei Worte von einem unbekannten Twitter-Nutzer wurden rasch von über tausend Menschen gelikt. Die prägnante Antwort galt Amazon-Gründer Jeff Bezos, der seiner Ex-Frau MacKenzie auf dem Kurznachrichtendienst dazu gratuliert hatte, einen guten Teil ihres 37 Milliarden schweren Vermögens für wohltätige Zwecke spenden zu wollen. Amazon hatte dank legaler Schlupflöcher in den USA im Vorjahr keine Gewinnsteuern zahlen müssen.

Der Austausch löste ein mediales Echo aus, weil er die Debatte über Philanthropie der Superreichen auf den Punkt brachte: Mit vollen Hosen ist leicht stinken, sagen die Kritiker. Sie wollen verhindern, dass sich die Elite mit Spenden aus der Verantwortung für steigende Ungleichheit im Land stiehlt.

Sollen sie lieber ihr Geld für Yachten rauswerfen, lautet die Gegenfrage. Immerhin nehmen die Amerikaner das oberste Prozent, stärker als in Europa, in die Pflicht, sich für das Gemeinwohl einzusetzen – nicht mit staatlichem Zwang, sondern moralischem Druck. Dafür tragen Universitäten, Spitäler und wohltätige Vereine die Namen ihrer Gönner von Harvard und Carnegie über Ford bis Gates. Hat solche Großzügigkeit Schattenseiten?

Ehrenzeichen für Weltretter

Die Philanthropie sowie Kritik daran haben eine lange Tradition in den USA. Heute sind es aber nicht mehr die Industriekapitäne die mithilfe eines Millionenproletariats großen Reichtum anhäufen, sondern Software- und Techmilliardäre, allen voran Bill Gates (Vermögen von rund 90 Milliarden Dollar), oder Finanzinvestoren wie Warren Buffett (geschätzte 80 Milliarden Dollar schwer), die üppige gemeinnützige Stiftungen gründen.

Die beiden haben auch den losen Verband The Giving Pledge ins Leben gerufen. Darin sammeln sich derzeit über 200 Milliardäre, wie neuerdings MacKenzie Bezos, die sich dazu verpflichten, zumindest die Hälfte ihres Vermögens herzugeben. Wofür, bleibt ihnen überlassen. Sie könnten auch ihrer eigenen Stiftung das Geld geben, wie sie es ohnehin aus steuerlichen Gründen geplant hätten, und streifen ganz nebenbei das goldene Ehrenzeichen der Weltretter ein.

Kritik an Willkür

Kritiker stoßen sich an dieser Willkür. Der Philanthropie mangle es an demokratischer Legitimation, sagen sie. Über 90 Prozent der privaten Stiftungen hätten nicht einmal eine Website, betont der Standford-Politologe Rob Reich. Dass sich die Öffentlichkeit nicht in die Agenden der Philanthropie einmischen solle, lasse sich nicht rechtfertigen, wenn dem Staat rund 50 Milliarden Dollar aufgrund der Abschreibungen durch die Lappen gingen, argumentiert er.

Spenden für Malariabekämpfung oder Schulen sind kaum umstritten. Aber reiche Gönner verfolgen unter anderem eigennützige oder politische Ziele. Wo man die Grenze zieht, ist sehr individuell: US-Präsident Donald Trump musste seine eigene Stiftung auflösen, nachdem einige Ungereimtheiten aufgedeckt wurden. Er hatte sich quasi selbst spendabel unterstützt.

Die Koch-Brüder stecken Millionen in die Förderung libertärer Bewegungen wie der Tea Party, die sich für Steuersenkungen und Deregulierung einsetzen. Der Ex-Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, gibt hohe Summen an Organisationen, die Waffenrechte einschränken oder Abtreibungen erleichtern wollen. Je nach Perspektive sind solche Aktivitäten eine Wohltat oder ganz und gar nicht im Sinne der Allgemeinheit. Solche Argumente würden aber am Wesen der Philanthropie in den USA vorbeigehen, meint Karl Zinsmeister von der Konservativen Plattform Philanthropy Round Table

Gerade die Millionen Individuen, die etwas spenden, würden zeigen, wie demokratisch Projekte unterstützt würden. Eine zentrale Behörde könne diese Meinungsvielfalt nicht abbilden.

Spitze des Eisbergs

Großspender sind keineswegs dominant, sondern nur die Spitze des Eisbergs: Insgesamt betrugen private Spenden in den USA 2017 erstmals über 400 Milliarden Dollar, wie der "Giving USA Report" ausweist. Das ist mehr, als die US-Regierung für das Gesundheitsfürsorgeprogramm Medicaid im selben Jahr ausgab. Die Top-50-Großspender waren aber nur für rund 15 Milliarden dieser Spenden verantwortlich.

Zum Vergleich: Amazon allein machte über elf Milliarden steuerfreien Gewinn im Vorjahr. Zu glauben, dass den großen Philanthropen das Buch aus der Hand genommen würde, wenn sie mehr von ihrem Einkommen an den Fiskus abliefern müssten, wirkt somit unrealistisch. Sie hätten auch in ihren Steuerschlupflöcher für ihre Unternehmen genug übrig, um sich großzügig zu zeigen. Wenn sie noch Lust dazu haben.

Schließlich haben US-Philanthropen etliche Menschen in Not unterstützt, Künstler gefördert oder der Umwelt geholfen. Amerikaner geben ein Mehrfaches der Europäer für wohltätige Zwecke aus, das gehört zum nationalen Selbstverständnis. Kritik am Abgabensystem in den USA muss deswegen verschwiegen werden, aber Steuergerechtigkeit gegen Spendenfreude auszuspielen kann auch nach hinten losgehen – außer für Yachthändler. (Leopold Stefan, 14.6.2019)