Der 95-jährige Kärntner Herbert Bellschan von Mildenburg tritt seit Jahren bei rechtsextremen Veranstaltungen auf. Beim Treffen am Ulrichsberg hielt er 2012 eine Festrede.

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Für sie war die Zeit bei der Waffen-SS die beste Zeit ihres Lebens, und den Holocaust hat es für sie nicht gegeben. Mit diesem Programm tingelt eine Gruppe alter Männer seit einigen Jahren durch die rechtsextreme Szene in Deutschland und Österreich. Und ihre Vorträge sind gefragt. In Burschenschafterbuden oder Hinterzimmern von Gasthöfen versammeln sich schon einmal hunderte Zuhörer, um den Ausführungen dieser "Zeitzeugen" zu lauschen.

Laut einem aktuellen Bericht des deutschen Verfassungsschutzes sind derzeit etwa ein halbes Dutzend dieser "Zeitzeugen" als Referenten aktiv, deren Vorträge sich "zu einem wichtigen Anlaufpunkt" für die rechtsextremistische Szene entwickelt haben, bei denen sich verschiedene Strömungen der Szene vernetzen. Im Jahr 2018 gab es allein in Deutschland rund 60 derartige Zusammenkünfte.

Der "Untersturmführer"

Besonders gut kommen Auftritte des 95-jährigen Kärntners Herbert Bellschan von Mildenburg an, wenn er über den "selbstlosen Kampf" der SS im Zweiten Weltkrieg spricht oder über vermeintliche Sprechverbote über "vieles aus unserer Vergangenheit". Begeistert hielt die deutsche Neonazi-Partei "Der Dritte Weg" auf ihrer Website nach einem dieser Vorträge fest, dass der "Untersturmführer" ein "Vorbild" sei, das "das Herz am rechten Fleck" habe.

Aus seinem Weltbild macht Bellschan von Mildenburg auch vor Fernsehkameras kein Hehl. In der Spiegel-TV-Dokumentation SS – Die letzten Zeugen nennt er den SS-Führer Heinrich Himmler, einen der Hauptorganisatoren des Holocausts, einen "sauberen Mann" mit "anständigem Charakter", der nur "das Beste für das deutsche Volk wollte". Weiters betont er, für ihn existiere das "Wort Auschwitz" nicht. Auch interessiere es ihn nicht, ob die Juden von den Nazis "vergast oder erschossen worden sind".

KZ-Wächter als "Zeitzeuge"

In Krems tauchte er im Lauf dieses Jahres mehrmals im Umfeld eines österreichischen Holocaust-Leugners auf. Als der Mann entlassen wurde, war Bellschan von Mildenburg Teil eines "Begrüßungskomitees". Österreichweit sorgte er 2012 für Schlagzeilen, als er auf dem sogenannten Heimkehrertreffen am Ulrichsberg in Kärnten eine Festrede hielt, obwohl die Veranstalter dies zuvor öffentlich ausgeschlossen hatten. Man wollte einem SS-Mann nicht das Wort erteilen. Bei dem Treffen am Ulrichsberg zählen seit Jahrzehnten ehemalige Mitglieder der Waffen-SS, Rechtsextremisten und lokale Politiker zu den Stammgästen. Die Treffen haben mittlerweile stark an Bedeutung verloren, nachdem sich das Bundesheer 2009 von der Veranstaltung zurückgezogen hat.

Neben Bellschan von Mildenburg gastiert auch der deutsche Paul P. regelmäßig bei einschlägigen Gruppierungen. Nach eigenen Angaben hat der 93-Jährige im vergangenen Jahr 15-mal über seine Zeit bei der Waffen-SS gesprochen, etwa in Chemnitz, Dresden, der Schweiz und in Ungarn. Unter den Zuhörern waren auch Zwölfjährige, wie P. Reportern des deutschen NDR sagte.

In dem Interview bestritt er die historische Tatsache, dass die SS 1944 in der französischen Ortschaft Oradour ein Massaker angerichtet und 642 Menschen ermordet hatte. Außerdem erzählte er, dass er als Wachmann auf Insassen eines Konzentrationslagers aufgepasst habe.

Seit Jahrzehnten nehmen ehemalige SS-Männer eine Sonderstellung in der rechtsextremen Szene ein. So galt ein steirischer Hotelier bis zu seinem Tod im Jahr 2011 als wichtiger Ideen- und Impulsgeber militanter Neonazis. Er und andere "alte Kameraden" gaben der Szene das Handwerkszeug in die Hand, das sie zum Aufbau von Organisationen brauchte. (Markus Sulzbacher, 14.6.2019)