Slipknot-Sänger Corey Taylor hat schon bessere Nächte gesehen. Derzeit tourt er als Wasserleiche.

Foto: APA/Herbert P Oczeret

Die oberösterreichische Band Folkshilfe macht neue Volksmusik im Geiste Hubert von Goiserns.

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Die schwedische Metalband Sabaton präsentierte als Bühnenbild einen Panzer. Gespielt wurde im Schützengraben.

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Nickelsdorf – Das Wörtchen "Bahö" ist schön und schützenswert. Als altösterreichisches Sprachüberbleibsel kommt es wohl aus dem Tschechischen, Ungarischen oder Jiddischen und findet vor allem dann Verwendung, wenn jemand der Meinung ist, jemand anderer solle keine unnötige Aufregung erzeugen, also keinen Bahö machen. Auf einem Festival wie dem Nova Rock wird traditionell das Gegenteil eingefordert. Nur dass das übliche "Make some motherfucking noise!" eben nicht die Grandezza eines zünftigen "Mochts an Bahö!" hat.

Die oberösterreichische Band Folkshilfe will das ändern. "Bahö" heißt ihr aktuelles Erfolgsalbum, und Bahö forderte das Trio am Donnerstag zum Festivalauftakt ein. Das F im Bandnamen ist eine Referenz auf die amerikanische Folk-Bewegung, die Hilfe ein Bekenntnis zur Working Class. Der Volksmusik mit V ist das Trio nicht feindlich gesinnt. Man will sie nur neu definieren. Musikalisch ist man bei Hubert von Goisern, modisch am Surferstrand. Die steirische Quetschn wird zum Synthesizer hochfrisiert. Reggae und Flamenko treffen auf Elektropop, Dialekt und gut tradierten Tachinierer-Schmäh. Ganz und gar nicht leutscheu ist die Folkshilfe live noch viel besser als im Formatradio, wo ihr Hit "Mir laungts" wochenlang alle Sendeplätze blockierte.

folkshilfe official

Mit einem Bahö sind auch Pussy Riot weltweit bekannt geworden. Die russischen Feministinnen werden seit ihrem Punk-Gebet in einer Moskauer Kirche politisch verfolgt. Am Nova Rock war allerdings keine Spur von Punk und Bahö, stattdessen gab es ermüdend-psychedelischen Dubstep. Zum Besseren gehörte noch eine schaurig gehauchte Russlandhymne, deren Sowjet-Melodie Pussy-Feind Nummer eins, Wladimir Putin, einst wiedereinführte. Verirrte Jungmänner mit Shirtaufdrucken wie "HTL Mödling Abteilung Schnapsbrennen" hätten sich beim Konzert vielleicht Tipps in Sachen Getreidedestillat erwartet. Als Trostpreis konnten sie sich zum Beispiel feilgebotenes "Wassereis mit Alkohol (10,5 %!)" abholen. Ja, das gibt's auch!

Die Anarcho-Locos aus Madrid

Politisch weitaus verständlicher präsentierten sich Ska-P. Die Anarcho-Locos aus Madrid tragen ihren Stil des Ska-Punk, der Tanzbein und Hirn gleichermaßen fordert, seit den 90er-Jahren unverändert mitreißend in die Welt hinaus. Mit Trompeten und Posaunen angeblasen wird gegen so ziemlich jede Ungustiösität, die einer linken Weltverbesserband nicht schmecken darf: Kirche, Kapital, Polizei, Korrupte, Faschos. Unverzichtbarer Teil einer Ska-P-Show sind die satirischen Verkleidungen, in die man sich dem jeweiligen Song entsprechend wirft: Der spanische König trägt Revolutionsbart und tanzt den Ska, der Torero wird selbst harpuniert, der Kardinal mit Schweinemaske vergreift sich an einer Barbie-Puppe.

SkaPVEVO

Apropos Maske: Mit Slipknot durften die schon etwas angestaubten Geisterbahn-Figuren eines Wurstelprater-Fahrgeschäfts wieder einmal Einblick in ihr am Horrorfilm geschultes Wirken geben. Sänger Corey Taylor trug die blaue Geschichtsfarbe einer Wasserleiche, leider plätscherte auch das Konzert entsprechend dahin. Kein Vergleich etwa zur dramaturgisch um Welten besser inszenierten Nova-Rock-Show von 2015.

Kriegsspiel im Schützengraben

Die schwedische Metalband Sabaton trat danach noch an, um mit viel Bahö und Kawumm noch alles zum richtig Bösen zu wenden. Auf der Bühne ein Panzer, Stahlhelme, Schützengräben, Sandsäcke, Stacheldraht, das neue Album heißt "The Great War". Sänger Joakim Brodén trug eine Art Camouflage-Ritterrüstung über dem garantiert wehruntauglichen Ranzen und redete irgendeinen Quatsch über den Ersten Weltkrieg.

Dazu etwas abgewandelt ein altbekannter Satz, den kurz zuvor die beherzt zu Werke gehenden Mono und Nikitaman über die Felder riefen: Stell dir vor, sie spielen Krieg, und keiner hört hin. (Stefan Weiss, 14.6.2019)