Elfriede Franziska Glück führt ein diagnosereiches Leben. Heute wohnt sie selbstständig in Tulln, wo sie vom Psychosozialen Dienst betreut wird – und auch ganz offen über ihre psychische Erkrankung spricht, um ein Tabu zu brechen.

"Bis 2014 habe ich in Wiener Neustadt gewohnt. Die Wohnung war fein, aber weit weg. Nachdem meine Lebensgefährtin Adele hier in Tulln wohnt und nachdem das Leben voranschreitet und man auch nicht mehr jünger wird, habe ich beschlossen, ich ziehe in ihre Nähe. Ich sehe das Ganze pragmatisch. Meine Freundin ist schon 72, und ich bin 36, man muss nur wissen, in welcher Reihenfolge man mein Alter liest. So wahnsinnig viel gemeinsame Zeit bleibt uns wahrscheinlich nimmer. Kennengelernt haben wir uns am 26. August 1997 um 20 Uhr. Das ist schon ein Zeiterl her. Aber noch nie zuvor haben wir uns so oft und so regelmäßig gesehen wie jetzt. Der Umzug hat sich also ausgezahlt.

Wiesengrün als neue Lieblingsfarbe: Elfriede Glück in der Küche ihrer Wohnung in Tulln.
Fotos: Lisi Specht

Auf eine Gemeindewohnung hatte ich keinen Anspruch, weil ich ja keine Tullnerin bin, also war ich auf eine Genossenschaftswohnung angewiesen. Ich hatte mir drei Wohnungen angeschaut, die hatten 56, 58 und 62 Quadratmeter und einen schönen Balkon, aber alle drei wurden mir vor der Nase weggeschnappt. Und so habe ich dann diese Wohnung hier mit 71 Quadratmetern bekommen. Die Wohnung ist so groß, dass man hier ofangsaln kann. Das ist das Neustädter Wort für Fangen spielen.

Die Wohnungsübergabe war 2014. Aber ich hatte damals kein Geld für ein Bad und auch kein Geld für eine Küche. Das habe ich erst nach und nach machen können. Eingezogen bin ich daher eigentlich erst zwei Jahre später. Ich wollte immer eine lichtgrüne Küche haben. Das war meine Lieblingsfarbe. Aber dann hat der Küchenhersteller das Lichtgrün aus dem Sortiment genommen. Jetzt habe ich eine wiesengrüne Küche. Und eine neue Lieblingsfarbe seitdem. Ich würde die gern öfter nutzen, aber ich habe keine Zeit zum Kochen, weil ich die meiste Zeit in der Tagesbetreuung des Club Möwe oder bei meiner Lebensgefährtin bin. Das Bad ist überhaupt noch Baustelle.

Die Einrichtung stammt aus der alten Wohnung, vom Sperrmüll, Flohmärkten oder vom Abverkauf.
Foto: Lisi Specht

Die Einrichtung ist sehr günstig gewesen, denn das meiste habe ich entweder aus meiner alten Wohnung mitgenommen oder irgendwo auf der Straße gefunden – so wie meine beiden Fauteuils, die Stühle und das eine oder andere Kastl. Ein paar schöne Stücke habe ich am Flohmarkt oder im Möbelhaus im Abverkauf gefunden. Mein schönstes Ding ist eine Tiffany-Lampe, die ich vor Jahren einmal ersteigert habe. Keine Ahnung, ob das alles zusammenpasst, aber mir g'fallen die Sachen.

Kleinere Dinge, wie etwa Spiegel, Bilder, Kleiderhaken, Lampenschirme oder Traumfänger, habe ich selbst gebastelt. Ich bin handwerklich ziemlich geschickt. Am liebsten arbeite ich mit Gobelins, Mosaikfliesen und Hinterglasmalerei. Ich habe schon etliche Katzen, Eulen und Schildkröten auf diese Weise gemacht. Da sitze ich Stunden und Stunden. Mich entspannt das. Ich mag Schildkröten. Als Jugendliche hatte ich eine griechische Landschildkröte.

Ich habe eine Invaliditätspension und bin psychisch krank. Seit 1970 bin ich in psychiatrischer Behandlung. Zu Beginn habe ich Bulimie gehabt, später haben die Ärzte gemeint, ich hätte eine bipolare Störung. Eines Tages haben sie mich abgeholt und in die Nervenheilanstalt Gugging gebracht. Ich hatte schon so viele Diagnosen, dass es kaum noch was gibt, was ich nicht hatte: Krise in der Pubertätsphase, Hebephrenie, Schizophrenie, Borderline, MDK, Psychose, Winterdepression, und aktuell habe ich eine histrionische Persönlichkeitsstörung mit Panikattacken und Winterdepression.

Kleinere Gegenstände bastelt Elfriede Glück auch selbst, so wie auch die Katzen und Schildkröten. Das Handwerken entspannt sie.
Fotos: Lisi Specht

Das Gute ist: Heute bin ich selbstständig. Ich brauche auch keine Sachwalterin mehr. Dafür habe ich eine supernette Sozialarbeiterin bei den Psychosozialen Diensten, die sich um mich kümmert. Wir sehen uns ein-, zweimal pro Monat, und sie hilft mir mit Geld- und Wohnungssachen.

Als Nächstes werde ich mir eine Eckbank zulegen. Damit ich endlich genug Sitzmöglichkeiten habe, um meine Freundinnen einzuladen – für Plattenhören, Spieleabende und Kaffeejausen." (17.6.2019)