Zelte werden am liebsten nah am Wasser aufgebaut. Deshalb boomen die Campingplätze an Kärntens Seen.

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Mit einem einfachen Gaskocher geben sich die "Glamper" nicht mehr zufrieden: Sie bevorzugen die Annehmlichkeiten des luxuriösen Biwakierens.

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Der Campingplatz Neue Donau "liegt nahe den beliebten Erholungsgebieten Donauauen und der Donauinsel", heißt es auf der Website Camping in Wien. Das ist völlig korrekt, solange "nahe" nicht näher definiert wird. Wer je auf diesem Platz seine Zelte aufgeschlagen hat, bemerkt ein seltsames "Goldenes Dreieck des naturnahen Nächtigens": Mistplatz Stadlau, Südosttangente und S-Bahn, mittendrin das Camper-Idyll. Die nächsten Badeplätze liegen immerhin nur eine Gassi-Distanz entfernt an der Hundezone Donaustadtbrücke.

Schon Anfang Juni sind fast alle der insgesamt 250 Stellplätze an der Neuen Donau besetzt. Die Zeltwiese, die Durchreisende vom Donauradwanderweg anlockt, erinnert an ein gut besuchtes Festivalgelände. Gerrit aus Holland sagt über das urbane Campieren: "Ein ausgezeichneter Platz, um Wien zu besuchen. Bis zur U-Bahnstation sind es nur 10 Minuten zu Fuß." Ganz ähnlich sieht das Rex aus Deutschland: "Etwas laut ist es hier schon, aber so ist das nun mal in der Stadt. Die Donauinsel ist jedenfalls super zum Spazieren." Mit der eher positiven Resonanz stehen die beiden keineswegs alleine da.

Von März bis November

Rund 110.000 Nächtigungen wurden im vergangenen Jahr alleine auf den drei Wiener Campingplätzen mit insgesamt 530 Stell- und 400 Zeltplätzen gezählt. Sie wirken zwar alle etwas grau und angegraut mit den abgelatschten Waschbetonplatten, aber grundsätzlich lebt sie, die Idee vom naturnahen Urlaub. 2018 wurden österreichweit erstmals fast sieben Millionen Nächtigungen verzeichnet, wie der Österreichische Campingclub (ÖCC) vor kurzem vermeldete. Ein neuer Allzeitrekord.

"Vor allem die starke Nebensaison ist dafür verantwortlich", meint Tomas Mehlmauer, Präsident des ÖCC, den Boom. Die Leute kämen nun schon im März und blieben bis November. Die Gäste, egal, ob In- oder Ausländer, verbringen im Schnitt vier Tage auf einem österreichischen Campingplatz. In Kärnten, dem Bundesland mit den meisten Campern, hält man es auch länger aus. Zugereiste Nomaden ziehen dort erst nach sechs Tagen weiter, Österreicher bleiben durchschnittlich neun Tage. Warum das so ist? Die Plätze sind tatsächlich näher an der Natur als jene in Wien, liegen im Idealfall sogar direkt am Wasser.

Glamping

Der Freizeitforscher Reinhold Popp erklärt die Camping-Renaissance so: "Es entspricht dem aktuellen Trend zur Einfachheit, zur Natur, zum kleinen Abenteuer." Tatsächlich einfach ist daran die Möglichkeit, nach Belieben weiterzuziehen, auf die Ausrüstung trifft das selten zu. Nahe der Neuen Donau stehen viele wendige, hypermoderne Caravans, deren Kostenpunkt jenseits der 100.000-Euro-Grenze liegt. Auch manche Zelte auf dem Campingplatz würden ein Himalaya-Basislager zum komfortablen Retreat machen. Was uns zur wichtigsten Erfindung des organisierten Biwakierens der letzten Jahre führt: Glamping.

Immer mehr Menschen da draußen in der Wildnis wollen Glamour beim Camping, wie das Kofferwort nahelegt. Die Plattform Glamping.info listet schon knapp 70 solcher Angebote auf dem heimischen Markt. Sie reichen vom kuscheligen Schlaf-Fass vor den Toren Linz’ bis zum Luxuscontainer vor der Kulisse der Osttiroler Dolomiten. Woran es liegt, dass der Familienurlaub am Campingplatz seither auch mehrere hundert Euro pro Woche kosten darf? Wenn man den richtigen Freizeitforscher fragt: an der Ablehnung von Einfachheit, wenn die Familie schon einmal campen geht. (Sascha Aumüller, 16.9.2019)