Physiker mit Weitblick: Eli Yablonovitch war ein Pionier bei der Entwicklung effizienter Solarzellen und Handyantennen.
Foto: Adam Lau © UC Regents

Wenn Sie eine E-Mail abrufen, eine Website laden, ein Handy oder eine Computermaus benutzen, dann ist dabei ziemlich sicher eine von Eli Yablonovitchs Entwicklungen im Spiel. Seine Pionierarbeiten auf so vielfältigen Gebieten wie der Photonik, der drahtlosen Kommunikation, der Halbleiter-, Laser- und Solarenergietechnologie haben dem US-amerikanischen Forscher eine Menge namhafter Auszeichnungen eingebracht. Zuletzt wurde er mit der renommierten Benjamin-Franklin-Medaille geehrt – die bereits Größen wie Thomas Edison, Marie Curie, Max Planck und Stephen Hawking überreicht wurde.

Yablonovitch, der immer wieder als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt wird, hat 1987 gemeinsam mit Sajeev John photonische Kristalle erfunden, eine Materialklasse, die optische Halbleiter ermöglicht. In seiner Forschung zu Fotovoltaik konnte er die Effizienz von Solarpaneelen deutlich erhöhen – dank eines Faktors, der als die "Yablonovitch-Grenze" bekannt ist. Die Technologie ist heute in so gut wie allen Solarzellen im Einsatz.

Transistor-Revolution

Heute leitet Yablonovitch das Zentrum für energieeffiziente Elektronik an der University of California, Berkeley. Kürzlich war er auf Einladung der Akademie der Wissenschaften in Wien zu Gast, um über sein aktuelles Herzensprojekt zu sprechen: die Revolution des Transistors. Das Halbleiterbauteil ist der wichtigste Bestandteil elektronischer Schaltungen und damit ein Kernelement heutiger Computertechnologien.

Seit seiner ersten Anwendung vor mehr als 70 Jahren hat sich die Technik, die dem Transistor zugrunde liegt, allerdings nicht wesentlich geändert. "Was kommt nach dem Transistor?", fragt sich Yablonovitch daher. "Bereits vor 15 Jahren wurde offensichtlich, dass das Problem der Elektronik der Energieverbrauch ist. Seither hat die Industrie versucht, Transistoren energieeffizienter zu machen – mit nur äußerst geringem Erfolg", sagt der US-amerikanische Physiker im Gespräch mit dem STANDARD. "Es reicht nicht, etwas immer ein kleines bisschen besser zu machen. Das interessiert mich nicht. Ich bin auf der Suche nach komplett neuen wissenschaftlichen Prinzipien, um solche Probleme zu lösen."

Von Hallein nach Harvard

Um diese neuen Prinzipien zu finden, gräbt sich Yablonovitch von der Anwendung quasi rückwärts in die Tiefen der Grundlagenforschung. Beim Transistorproblem stieß er dabei unweigerlich auf zwei österreichische Physikkoryphäen: Ludwig Boltzmann, auf dessen Gesetzen jeder Transistor beruht, und Erwin Schrödinger, dessen Quantentunneleffekt eine künftige, extrem leistungsfähige Transistorgeneration hervorbringen könnte.

Mit Österreich verbindet Yablonovitch auch eine ganz persönliche "komplizierte Story", wie er sagt. Seine Eltern, russische Juden, flohen nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Sowjetunion und landeten nach Stationen in Bratislava und Wien in einem Flüchtlingslager in Puch bei Hallein in Salzburg, wo er 1946 geboren wurde. Ende 1947 bekamen die Eltern im Zuge der beschlossenen Aufteilung von Flüchtlingen das Angebot, nach Kanada auszuwandern.

Solarzellenpionier

"Als ich 18 Monate alt war, brachte uns die U.S. Army nach Bremen und von dort aus mit dem Schiff nach Halifax, Nova Scotia. Die Landungsbrücke ging nach unten, und es warteten eine Unterkunft und Jobs auf uns", erzählt Yablonovitch. "Ich wuchs im Glauben auf, Kanadier zu sein." Vor 15 Jahren suchte er schließlich seinen Geburtsort und fand an der Stelle des Flüchtlingscamps "das weltkleinste Monument, eine winzige Tafel", aber auch Aufzeichnungen im örtlichen Rathaus. "Ich bin Teil der österreichischen Geschichte."

Auf der anderen Seite des Atlantiks brachte es Yablonovitch früh weit. Er studierte Physik in Montreal an der McGill-Universität und ging nach seinem Bachelorabschluss mit 20 nach Harvard, wo er 1972 sein Doktorat machte. Danach arbeitete er für die Bell Laboratories und für die Forschungsabteilung von Exxon, wo er bereits an Solarzellen arbeitete, bis der Ölriese das Interesse an Solarenergie verlor. 1992 wechselte er an die University of California, ging zunächst nach L.A., dann nach Berkeley. Daneben gründete er vier Firmen, darunter eine, die sage und schreibe zwei Milliarden Handyantennen an Samsung verkaufte. Deren Technik wurde in der Folge von fast allen Herstellern kopiert. Ein Start-up für Photonik-Chips wurde von Cisco aufgekauft, die Technologie wird heute weltweit in großen Datenverarbeitungszentren eingesetzt.

Videoporträt über Eli Yablonovitch und seine Arbeit, erstellt vom Franklin Institute.
The Franklin Institute

Eine Frage der Spannung

Die stetig wachsenden Serverfarmen und ihr immenser Energieverbrauch sind für Yablonovitch – neben den limitierten Batterieleistung tragbarer Geräte – ein weiterer Grund für die Notwendigkeit einer neuen Transistortechnologie. Doch wie soll diese konkret funktionieren? "Aktuelle Transistoren folgen einem Prinzip von Boltzmann, dem zufolge es eine bestimmte Spannung von nahezu einem Volt braucht, um einen Schalter ein- und auszuschalten. Wir wollen stattdessen den Quantentunneleffekt nutzen, der auf Schrödinger zurückgeht. Dabei springt ein Elektron von einem Energielevel zum nächsten und braucht dabei kaum Spannung", sagt Yablonovitch.

Auf diese Weise könne man die Transistorspannung auf zehn Millivolt reduzieren, das ist 100-mal weniger als in herkömmlichen Transistoren. Das würde wiederum bedeuten, dass ein Quantentransistor 100.000-mal weniger Energie benötigt. Um auch mit weniger Spannung zu funktionieren, müssten die Transistoren also erst einmal um einiges sensibler werden. Doch das ist nicht das einzige Problem: Laut Enrico Fermis goldener Regel sind Energielevels nicht klar abgegrenzt, sondern verschwimmen ineinander, weshalb die Elektronensprünge nicht kontrolliert werden können. Yablonovitch fasst zusammen: "Wir müssen Boltzmann überwinden, Schrödinger anerkennen und Fermi bezwingen. Dann sollte dieser Typ Transistor funktionieren."

KI am Handy

Derzeit experimentiert er mit seiner Gruppe mit Graphen-Nanobändern, einer Form von Polymerelektronik, die die nötigen Halbleitereigenschaften mitbringt. "Weil das aber ein völlig neues Material ist, kann es noch 20 Jahre dauern, bis die neuen Transistoren tatsächlich in unseren Smartphones auftauchen." Die Folge wären nicht nur eine Energieersparnis, sondern komplett neue Funktionen, die mit den zusätzlichen Ressourcen möglich würden, ist Yablonovitch überzeugt: "Handys und Laptops werden dann künstliche Intelligenz anwenden können, wie es bis jetzt nur in großen Datenverarbeitungszentren möglich ist."

Die Lösung des Transistorproblems erfordere jedenfalls weltweite Forschungsanstrengungen, als deren Botschafter sich der Physiker versteht. Skepsis misst er wenig Bedeutung bei. Immer wieder seien seine Entdeckungen auf Widerstand gestoßen, bis sie von der Industrie aufgegriffen wurden – oft erst Jahre später. "Ich hätte jedes Mal dafür kämpfen können, aber stattdessen ließ ich es bleiben und verfolgte andere Projekte. Ich bin ein Optimist." (Karin Krichmayr, 15.6.2019)