Frauen können heute alles werden. Doch obwohl es immer mehr Spitzenpolitikerinnen gibt: Leicht wird es ihnen nicht gemacht. Weil sie eine Frau ist, würden ihre Entscheidungen nicht ernst genommen, erklärte etwa SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner jüngst. Immer noch kämpfen Politikerinnen gegen dumme Klischees, unfaire Maßstäbe und gezielt gesetzte Untergriffe: Wer es nach oben schafft, ist Quotenfrau oder hat sich hinaufgeschlafen. Dann wird auch genau darauf geschaut, wie sich die Chefin kleidet. Bekommt sie ein Kind, bedeutet das immer noch oft einen Karriereknick – wenn es ihren weiteren Aufstieg nicht sogar ganz verhindert.

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"Ich glaube, die Politik muss sich auch daran gewöhnen, dass Frauen Entscheidungen treffen und dazu stehen." Pamela Rendi-Wagner

Pamela Rendi-Wagner ist seit November 2018 die erste Frau an der Bundesparteispitze der SPÖ.
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1. Politikerinnen bekommen weniger Spielraum

Der Chef sucht sich seine Leute aus – eh klar. Sicher? Kaum sind Frauen in Führungspositionen, wird dieses Prinzip infrage gestellt. "Frauen müssen wesentlich mehr um Anerkennung kämpfen", sagt Birgit Sauer, Politologin an der Uni Wien. Insbesondere in der Politik sei das ein Problem, weil dort Netzwerke und die damit einher gehende "Hausmacht" eine besonders große Rolle spielen.

Am eigenen Leib hat das gerade SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erfahren. "Kommen Frauen an die Macht, schließen die Männerbünde ihre Reihen", weiß Sauer. Das Phänomen sei durch Daten und Studien gut belegt. Und natürlich habe es Auswirkungen auf den politischen Habitus von Frauen, wenn sie "ständig Angst haben müssen, dass sie den Prügel ins Kreuz bekommen". Sprich: Frauen werden verunsichert. "Danach wird ihnen dann vorgeworfen, sie seien nicht durchsetzungskräftig."

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"Ich hätte mir nicht vorstellen können, Beruf und Kinder zu vereinbaren." Brigitte Bierlein

Brigitte Bierlein ist seit Juni 2019 die erste amtierende Bundeskanzlerin der Republik Österreich.
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2. Ein Kind bedeutet noch immer oft Karriereknick

Langsam tut sich etwas. Elisabeth Köstinger hat vergangenen Juli als zweite amtierende Ministerin ein Kind geboren. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat vor etwas mehr als zwei Monaten ihre Tochter zur Welt gebracht. In Karenz sind die Väter der Babys. Anhören müssen sich beruflich erfolgreiche Frauen jedoch weiterhin genug, sagt Politikwissenschafterin Birgit Sauer. "In der Politik braucht man eine zweite, voll in die Familie involvierte, Person an seiner Seite, um beides zu vereinbaren. Männer sind seltener dazu bereit, die Aufgaben zu Hause zu übernehmen."

Helga Konrad, die als Frauenministerin in den 1990ern die "Ganze Männer machen halbe-halbe"-Kampagne initiiert hat, will über Vereinbarkeit auch als Thema für die Väter diskutieren. Wenn Politikerinnen am Abend zu Gremiensitzungen müssen, "dann hat halt der Partner da zu sein". Die Realität sei "freilich noch eine andere".

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"Diese Quote hat mich nicht blöder gemacht, hat mich nicht schlechter gemacht, hat mich auch nicht weniger motiviert." Maria Fekter

Maria Fekter war von 2008 bis 2011 Innenministerin, von 2011 bis 2013 Finanzministerin für die ÖVP.
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3. Quote oder Sex: Immer angeblich unqualifiziert

Österreich hatte noch nie eine Bundespräsidentin, die erste Kanzlerin wurde nur durch eine Regierungskrise möglich, lediglich etwas mehr als ein Drittel der Nationalratsabgeordneten sind Frauen, 92 Prozent aller Gemeinden stehen männliche Bürgermeister vor – und trotzdem müssen sich Politikerinnen den Vorwurf gefallen lassen, sie seien Quotenfrauen. Soll heißen: Sie seien nur wegen ihres Geschlechts und nicht aufgrund ihrer Qualifikation erfolgreich.

"Quotenfrau als Schimpfwort zu verwenden ist ein verzweifelter Versuch, Frauen in Führungspositionen abzuwerten", sagt Laura Wiesböck, Soziologin an der Uni Wien. "Alternative Herabwürdigungen wären, dass sie es nur dank Vitamin B geschafft oder sich hinaufgeschlafen haben. Da ist Quotenfrau eigentlich noch die bessere Variante." Ex-Frauenministerin Helga Konrad plädiert überhaupt dafür, den Begriff positiv zu besetzen.

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"Bei Frauen wird immer das Etikett angeklebt, wie die aussehen, was sie für eine Frisur tragen und was für Kostüme." Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht ist Vorsitzende der deutschen Linksfraktion. Im März kündigte sie an, sich aus gesundheitlichen Gründen aus den Führungsgremien der Bewegung zurückzuziehen.
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4. Frauen werden auch äußerlich anders bewertet

Unmittelbar nach der Angelobung Brigitte Bierleins haben mehrere Medien ihre Seiten damit gefüllt, den Kleidungsstil der neuen Kanzlerin zu besprechen. "Das wäre bei einem Mann so nie passiert", sagt Soziologin Laura Wiesböck. "Frauen werden anders bewertet." Zwar werde auch bei Politikern manchmal über den Slim-Fit-Anzug berichtet oder satirisch über große Ohren hergezogen. So gut wie niemals würden Männer aber zum Sexobjekt degradiert. Wiesböck sagt, sie habe das zuletzt im EU-Wahlkampf bei Claudia Gamon beobachtet, die in einem Boulevardmedium etwa als "glattgesichtig-fesch", "schöne Claudia" und "Miss-Neos" bezeichnet wurde.

"Von Frauen in der Öffentlichkeit wird erwartet, dass sie sich für den männlichen Blick attraktiv gestalten", erläutert Wiesböck. "Entsprechen sie dem Bild, werden sie darauf reduziert. Tun sie das nicht, werden sie ebenfalls abgewertet." (Sebastian Fellner, Katharina Mittelstaedt, 15.6.2019)